Waldsterben verursachte größere Änderungen im Wasserhaushalt als der Klimawandel

8. April 2014
Das Waldsterben hat in den letzten Jahrzehnten in Sachsen größere Änderungen im Wasserhaushalt verursacht als der Klimawandel. Das hat ein interdisziplinäres Forscherteam aus Hydrologen, Meteorologen und Landschaftsökologen der TU Dresden, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, herausgefunden. Die Wissenschaftler untersuchten 68 Flusseinzugsgebiete über einen Zeitraum von 60 Jahren (1950-2009). Die Daten zeigen deutliche Effekte der Klimaerwärmung auf die Gebietsverdunstung und den Wasserhaushalt in ganz Sachsen. Hauptursache für Änderungen des Wasserhaushalts war allerdings die industrielle Luftverschmutzung. So konnte für die Kammlagen der Mittelgebirge das durch Luftverschmutzung hervorgerufene Waldsterben als entscheidender Faktor erkannt werden.

Die Forscher um Christian Bernhofer, Professor für Meteorologie an der TU Dresden, waren der Frage nachgegangen, wie sich menschlich verursachte Klima- und Landoberflächenänderungen auf den regionalen Wasserhaushalt auswirken. Dazu haben sie Daten aus dem dichten hydro-meteorologischen Messnetz von Sachsen, benachbarten Bundesländern und Tschechien mit Landnutzungs- und Bedeckungsdaten von Sachsenforst und der europäischen Umweltagentur (CORINE-Daten) zusammengeführt. Einen Einblick in die Treiber des regionalen Wasserhaushalts erlaubte nun die Synthese dieser Messdaten mit einem physikalisch basierten Ansatz auf der Grundlage der Wasser- und Energiebilanz, den der Hydrologe Maik Renner in seiner Dissertation an der TU Dresden weiterentwickelt hat.

Dabei zeigte sich ein drastischer Rückgang der Verdunstung von 1960 – 1990 in den oberen Gebieten des Erzgebirges, Teilen des Elbsandsteingebirges und dem Lausitzer Bergland. Die-ser Rückgang stimmt erstaunlich gut mit den Fernerkundungsdaten und den Waldschadenskartierungen der Forstprojektierung der damaligen DDR überein. Anhand der Gebietswasserbilanz begann die Abnahme der Gebietsverdunstung in den 60er Jahren und führte in stark betroffenen Gebieten zu einem Rückgang um bis zu 38 Prozent und damit zu größeren Abflusssummen. Hierbei waren besonders die regenreichen Kammlagen betroffen.

Mit dem Fall der Mauer und der einhergehenden Reduktion der Schadstoffemissionen hat sich dieser Trend seit 1990 völlig umgekehrt. Beinahe alle untersuchten Pegel zeigten geringere Wasserstände und damit signifikante Zunahmen der mittleren dekadischen Jahresverdunstung. Zugleich wurden die Haupttreiber der früheren Änderungen offensichtlich: Luftschadstoffe, saurer Regen und Nebelauskämmung hatten zur Bodenversauerung und zum Absterben großer Waldflächen geführt. Zudem trübten die Emissionen aus der ungefilterten Verbrennung von Kohle die Atmosphäre und reduzierten so lokal die Sonneneinstrahlung. Beide Faktoren verringerten die Verdunstung und steigerten damit den Abfluss. Die seit 1990 nachgewachsenen Bäume in den Kammlagen der sächsischen Mittelgebirge haben dann relativ schnell die hydrologischen Funktionen des Waldes wiederhergestellt.

„Übertragen auf globale Verhältnisse legt die Studie nahe, dass die Emissionen der international aufstrebenden Entwicklungs- und Schwellenländer auch aus hydrologischer Sicht besorgniserregend sind“, so Maik Renner. Interessanterweise wird das Konzept einer reduzierten Sonneneinstrahlung auch gezielt von geoengineering-Verfahren zur Abschwächung der Klimaerwärmung verfolgt. Die negativen Auswirkungen einer reduzierten Sonneneinstrahlung, insbesondere auf eine verringerte Verdunstung, haben Dr. Axel Kleidon und Maik Renner aus der Max-Planck-Forschungsgruppe „Theorie und Modellierung der Biosphäre“ am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena inzwischen auch auf theoretischer Basis beschrieben und erklärt.

Auch für das regionale Wasserdargebot, die aus dem natürlichen Wasserkreislauf vorhandene nutzbare Süßwassermenge, sind die Ergebnisse der Langzeit-Studie relevant. Die Erderwärmung wird global zu einer höheren Verdunstungsrate führen. Der Niederschlag, der dominant für das regionale Wasserdargebot ist, ist jedoch am schwierigsten zu prognostizieren.

Originalveröffentlichung:
Separating the effects of changes in land cover and climate: a hydro-meteorological analysis of the past 60 yr in Saxony, Germany
Renner, M., Brust, K., Schwärzel, K., Volk, M., Bernhofer, C. (2014). Hydrology and Earth System Sciences 18, 389-405.
http://www.hydrol-earth-syst-sci.net/18/389/2014/hess-18-389-2014.html

Kontakt am Max-Planck-Institut für Biogeochemie:
Dr. Maik Renner
MPI für Biogeochemie, Hans-Knöll-Str. 10, Jena
Tel.: 03641 57 – 6223
Email: mrenner@bgc-jena.mpg.de
www.bgc-jena.mpg.de

Foto (Ausschnitt): Bundesarchiv, Bild 183-1989-1206-012 / CC-BY-SA
Fichtelberg im Erzgebirge bei Oberwiesenthal
Bildautor Heinz Hirndorf, Dezember 1989
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