Duftmoleküle verraten Stresszustand des Regenwaldes
Neue Studie zeigt: Das Verhältnis der Spiegelmoleküle von α-Pinen macht sichtbar, wie stark der Amazonas-Regenwald unter Trockenstress leidet. Messungen am Amazon Tall Tower Observatory (ATTO) dokumentierten diese Veränderungen während der Rekorddürre 2023.
Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, mit Michelle Robins und Eliane Gomes Alves, zeigt, dass sich aus der Luft der Gesundheitszustand des Amazonas-Regenwaldes ablesen lässt. Entscheidend dafür ist das Verhältnis zweier spiegelbildlicher Formen des Duftstoffs α-Pinen. Während der extremen Dürre im Jahr 2023 veränderte sich dieses Verhältnis deutlich – ein direkter Hinweis darauf, dass die Pflanzen unter massivem Trockenstress standen und ihren Stoffwechsel umstellten.
Normalerweise geben Pflanzen α-Pinen in einem stabilen Verhältnis beider Spiegelmoleküle an die Umgebungsluft ab. Doch in Phasen extremer Trockenheit verschiebt sich dieses Gleichgewicht: Anstelle der normalerweise dominierenden Form tritt vermehrt die Variante in Erscheinung, die aus den Reserven der Pflanze stammt. Im Höhepunkt der Dürre kam es sogar zu einer vollständigen Umkehr des Verhältnisses. Damit zeigen die Messungen erstmals im Feld, was zuvor nur in Gewächshaus-Experimenten beobachtet wurde: Pflanzen schalten in einen Überlebensmodus, stellen ihre Fotosynthese weitgehend ein und geben vor allem gespeicherte Substanzen ab.
Die Daten für die Studie wurden am Amazon Tall Tower Observatory (ATTO) gewonnen – einer einzigartigen Forschungsplattform mitten im brasilianischen Regenwald. Dort ermöglicht ein 325 Meter hoher Messturm die Analyse atmosphärischer Prozesse über einem Gebiet von rund 100 Quadratkilometern. Die Luftproben aus dem Kronendach lieferten die Grundlage für die präzisen Laboranalysen in Mainz, bei denen die winzigen Unterschiede zwischen den beiden α-Pinen-Formen nachgewiesen wurden.
ATTO ist ein deutsch-brasilianisches Gemeinschaftsprojekt, an dem auch das Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC) in Jena maßgeblich beteiligt ist. Das Institut bringt seine langjährige Expertise zu Kohlenstoff- und Stoffkreisläufen ein und arbeitet eng mit Partnern in Brasilien und Deutschland zusammen, um die Wechselwirkungen zwischen Vegetation, Atmosphäre und globalem Klima besser zu verstehen. Ohne die Infrastruktur von ATTO – die gemeinsam von MPI-BGC, dem Max-Planck-Institut für Chemie und brasilianischen Forschungseinrichtungen betrieben wird – wären diese einzigartigen Einblicke in das „Innenleben“ des Regenwaldes nicht möglich.
Die aktuellen Ergebnisse sind auch von großer Bedeutung für die Klimaforschung. Der Amazonas-Regenwald ist die weltweit größte Quelle biogener flüchtiger Verbindungen, und ihr Verhalten unter Trockenstress beeinflusst sowohl regionale als auch globale Klimaprozesse. Mit Hilfe der neuen Daten können Klimamodelle nun realistischer darstellen, wie häufigere und intensivere Dürren die Vegetation beeinflussen und welche Rückkopplungen auf das Klima zu erwarten sind. Damit tragen die Forschenden nicht nur zum Verständnis des Amazonas bei, sondern auch zu einer besseren Einschätzung der Folgen des Klimawandels weltweit.
Diese Mitteilung basiert auf den Angaben des Max-Planck-Instituts für Chemie.












