Biosphärentheorie und Modellierung

1. Überblick

Energieumwandlungen zwischen verschiedenen Formen steht im Zentrum von Leben, menschlichen Gesellschaften und des gesamten Erdsystems. Wenn das Sonnenlicht die Erdoberfläche erreicht, kann seine Energie einfach die Temperatur erhöhen und wird dann in Wärmeenergie umgewandelt. Sie kann einen Auftrieb in der Atmosphäre verursachen, der kinetische Energie erzeugt, oder sie kann Wasser verdampfen, eine Form von latenter Wärme. Das Sonnenlicht kann auch von der Vegetation zur Photosynthese genutzt werden, wobei es in chemische Energie in Form von Kohlenhydraten umgewandelt wird. Oder es trifft auf ein Solarmodul und erzeugt Strom für den menschlichen Gebrauch.

Es gibt strenge physikalische Gesetze, die die Energieumwandlung regeln, die so genannten Gesetze der Thermodynamik. Eines dieser Gesetze ist die Erhaltung der Energie. Wann immer Energie ihre Form ändert, geht insgesamt nichts verloren oder wird gewonnen. Das andere relevante Gesetz befasst sich mit der Entropie, die die Richtung und die relevanten Grenzen für Energieumwandlungen vorgibt. Dennoch wird er in der gegenwärtigen Erdsystemforschung praktisch nicht berücksichtigt.

Unsere Gruppe nimmt die Thermodynamik als Ausgangspunkt, kombiniert sie aber mit den Wechselwirkungen innerhalb des Erdsystems. Daraus leiten wir ab, wie das System funktionieren sollte. Ein Beispiel ist die atmosphärische Zirkulation, der grundlegende Transportmechanismus, der globale biogeochemische Kreisläufe ermöglicht. Die kinetische Energie der Atmosphäre wird durch Unterschiede in der Erwärmung und Abkühlung erzeugt, und die Gesetze der Thermodynamik begrenzen die Umwandlungsrate. Wie sich herausstellt, arbeitet die Atmosphäre so hart wie möglich, um Bewegung zu erzeugen. Die Energieumwandlung und die Gesetze der Thermodynamik stellen somit eine äußerst wichtige Begrenzung der atmosphärischen Zirkulation dar.

Dies hat mehrere Auswirkungen: Es deutet darauf hin, dass auch andere Prozesse im Erdsystem so hart arbeiten, wie sie nur können. Dadurch werden sie durch solche thermodynamischen Ansätze in hohem Maße vorhersagbar. Es bietet einen einfachen Ansatz, der tief in der grundlegenden Physik verwurzelt ist, um die Rolle der Bewegung zu beschreiben. So können wir einfache, physikalische Schätzungen des Klimas und seiner Veränderungen vornehmen. Es ist vielleicht nicht so präzise wie ein komplexes Computermodell, aber es liefert Erkenntnisse über die wichtigsten Faktoren. Und dieser Ansatz hat praktische Auswirkungen: Er bestimmt, wie viel erneuerbare Energie die Erde bestenfalls erzeugt. Unsere Gruppe entwickelt diesen Ansatz weiter und wendet ihn auf andere Themen der Erdsystemforschung an.
 


2. Theorie des Erdsystems

Wir untersuchen, wie der thermodynamische Erdsystemansatz auf verschiedene Bereiche und Fragen der Erdsystemforschung angewendet werden kann. Einige Arbeiten sind recht theoretisch, z. B. mit dem Ziel, die Intensität der Energieumwandlung mit charakteristischen Häufigkeitsverteilungen oder der räumlichen Organisation von Systemen zu verbinden. Andere Forschungsarbeiten zielen darauf ab, den Wasserkreislauf als thermodynamisches System vollständig zu beschreiben, um seine grundlegenden Eigenschaften abzuleiten und herauszufinden, wie sich diese mit dem Klimawandel verändern sollten. Wir untersuchen auch die Anwendung dieser Konzepte auf die Dynamik von Ökosystemen, auf die Faktoren, die das Leben auf einem Planeten ermöglichen, und auf die potenzielle Dynamik von fortgeschrittenen Zivilisationen auf Exoplaneten.
 

Übersichtsarbeit (auf Deutsch)
Kleidon, A. (2012). Was leistet die Erde? Physik in unserer Zeit. 43(3), 136-144.
doi: 10.1002/piuz.201201294.


3. Wechselwirkungen zwischen Land und Atmosphäre

Wir wenden unseren Ansatz an, um die grundlegenden Faktoren zu verstehen, die das Klima an Land beeinflussen, und überprüfen diese Schätzungen mit Beobachtungen. Ein Schwerpunkt ist zu verstehen, wie die einfallende Sonnenenergie während des Tages in verschiedene Energieformen aufgeteilt wird. Diese Aufteilung wird hauptsächlich durch die Thermodynamik bestimmt. Anschließend untersuchen wir, wie Vegetation, Wasserverfügbarkeit und die Atmosphäre diese Aufteilung verändern. Vegetation entwickelt tiefreichende Wurzelsysteme, die den Zugang zum Bodenwasser erhöhen. Dies verändert die Wasserverfügbarkeit, die Energieverteilung und die Art und Weise, wie die Atmosphäre den Tagesgang abpuffert. Dieser Ansatz wird angewandt, um die Variationen im Klima und des Wasserkreislaufs in verschiedenen Regionen zu verstehen. Wir wenden unseren Ansatz auch an, um zu bestimmen, wie sich diese Dynamik mit der globalen Erwärmung verändert.
 

Übersichtsarbeiten (auf Deutsch)
Kleidon, A., Renner, M. (2015). Geoengineering ist keine Lösung -- Der globale Wasserkreislauf im Klimasystem. Physik in unserer Zeit, 46(1), 27-31.
doi: 10.1002/piuz.201401381.

Kleidon, A. (2020). Sonne oder Treibhauseffekt? Globale Erwärmung einfach und physikalisch nachgerechnet. Physik in unserer Zeit, 51(2), 79-85.
doi: 10.1002/piuz.202001560.


4. Erneuerbare Energie

Die Energieumwandlungen des Erdsystems bestimmen die Größenordnung verschiedener Formen erneuerbarer Energie. Je mehr Umwandlungsschritte erforderlich sind, desto geringer ist das Ressourcenpotenzial. So hat die direkte Nutzung der Sonnenstrahlung, zum Beispiel durch Photovoltaik, das mit Abstand größte Ressourcenpotenzial, auch im nicht ganz so sonnigen Deutschland. Die Windenergie involviert mehr Schritte und hat ein geringeres Ressourcenpotenzial. Es wird noch geringer, je mehr Windräder der Atmosphäre Bewegungsenergie entziehen. Die Photosynthese hat einen sehr geringen Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie. Daraus ergibt sich ein geringes Ressourcenpotenzial für verschiedene Formen von Biokraftstoffen. Wir entwickeln vereinfachte Modelle, um diese Größenordnungen abzuleiten und Szenarien der Energiewende zu einem nachhaltigen Energiesystem zu bewerten.
 

Übersichtsarbeit (auf Deutsch)
Kleidon, A. (2019). Sonne statt Flaute. Physik in unserer Zeit, 50(3), 120-127.
doi: 10.1002/piuz.201901540.

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