Windenergie liefert fast drei Viertel des erwarteten Stroms

Alterung und Windschatten-Effekte schmälern den tatsächlichen Ertrag – 20 Prozent der Differenz bleiben ungeklärt

Die Energiewende in Deutschland hat gerade einen neuen Rekord erreicht. Fast 40 Prozent des erzeugten Stroms kamen im Jahr 2018 aus erneuerbaren Quellen, allein 17 Prozent aus Windkraft. Damit trägt die Windenergie etwa in dem Maße zum Strommix bei, wie unter den Windbedingungen in Deutschland zu erwarten ist. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie festgestellt, indem sie die mögliche mit der tatsächlich gewonnenen Energie der Windturbinen verglichen.

Der Blick auf manchen Windpark macht skeptisch: Oft stehen einzelne Turbinen still. Dieser Eindruck passt nicht zu der Maßgabe, dass die Windenergie intensiv genutzt werden soll, um den Anforderungen der Energiewende zu genügen. Vor dem Hintergrund fragen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren zunehmend, ob der zu erwartende Beitrag der Windenergie zum Strommix nicht überschätzt wird. Sonja Germer und Axel Kleidon, die am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena forschen, haben jedoch festgestellt, dass Windturbinen in Deutschland gut 73 Prozent der theoretisch möglichen Energie liefern. „Unserer Untersuchung zufolge nutzen die Turbinen den Wind bislang größtenteils effektiv und tragen so zum Erfolg der Energiewende bei“, sagt Axel Kleidon.

In ihrer Studie, die den Zeitraum 2000 bis 2014 umfasst, kombinierten die Forschenden Daten des Deutschen Wetterdiensts (DWD) zu Windfeldern mit Angaben zu den Standorten und technischen Eigenschaften der Windräder. So bestimmten sie, wieviel Strom die Turbinen bei den gegebenen Windverhältnissen idealerweise erzeugen sollten. Demnach beträgt die im besten Fall zu erwartende Effizienz der Windturbinen, also das Verhältnis von tatsächlicher Strommenge zur Fähigkeit der Generatoren, Strom zu erzeugen, etwa 25 Prozent oder rund 2300 Vollaststunden pro Jahr. „Diese erwartete Effizienz wirkt vergleichsweise niedrig“, sagt Axel Kleidon. „Sie ergibt sich aber aus der ungleichen Verteilung von Windgeschwindigkeiten.“ Während der Hälfte der Zeit wehen Winde in Deutschland mit weniger als 20 Kilometern pro Stunde, sodass Turbinen während dieser Zeit höchstens 10 Prozent ihrer Kapazität nutzen können.

2014 lag der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung bei 9,1 Prozent

Den unter diesen Bedingungen zu erwartenden Stromertrag verglichen die Forscher für etwa ein Viertel der Anlagen, für die Daten zur erzeugten Leistung zugänglich waren, mit der tatsächlichen Strommenge. Die Forscher untersuchten zudem, welche Faktoren die real aus Windenergie erzeugte Strommenge reduzieren. Demnach schmälert das Altern der Windkraftanlagen den Ertrag in 2014 immerhin um knapp sieben Prozent. Das liegt auch daran, dass im Zeitraum von 2000 bis 2014 das mittlere Alter der Windkraftanlagen in Deutschland von 3,8 Jahren auf 10,8 Jahre stieg. Da Turbinen in Windparks oft im Windschatten anderer Anlagen stehen, verringert sich die Ausbeute um etwa zwei Prozent. Die Wissenschaftler beobachten allerdings auch eine konstante Differenz zwischen tatsächlichem und prognostiziertem Ertrag von bis zu 20 Prozent, die sie nicht erklären können. Die einzelnen Beiträge, mit denen die Forscher die Differenz zwischen erwartetem und tatsächlichem Stromertrag begründen, lassen sich jedoch nicht einfach summieren, da der Zusammenhang zwischen den Faktoren nicht linear ist.

Den Unterschied zwischen erwartetem und tatsächlichem Stromertrag berücksichtigten die Forscher, um auf der Basis der erzeugten Strommenge, den tatsächlichen Ertrag aller Windkraftanlagen in Deutschland zu ermitteln. Die erzeugte Strommenge ist demnach zwischen 2000 und 2014 von 9,1 auf 58,9 Terawattstunden pro Jahr gestiegen. Das entspricht einem Anteil von 1,6 Prozent der bundesdeutschen Stromerzeugung im Jahr 2000 und 9,1 Prozent in 2014. Diese Zahlen decken sich sehr gut mit den Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Leistung der Windkraftanlagen in Deutschland.

Reduzierte Windgeschwindigkeiten machen sich noch nicht bemerkbar

In früheren Studien hatten die Wissenschaftler berechnet, dass die Effizienz von Windrädern sinken sollte, je mehr Turbinen in einem Gebiet errichtet werden. Denn bei einer so intensiven Nutzung sollten die Windgeschwindigkeiten abnehmen, weil jede Turbine dem Wind einen Teil seiner Energie entzieht. „Wir haben erwartet, dass wir einen solchen Trend in einigen Regionen Deutschlands finden würden“, meint Axel Kleidon, Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. 

Die Forscher wählten daher für die neue Studie den Zeitraum zwischen 2000 und 2014, in dem die Zahl der Windräder in Deutschland von knapp 9000 auf mehr als 25.000 zunahm. Da die Turbinen im selben Zeitraum deutlich leistungsfähiger wurden – so vergrößerte sich der Rotordurchmesser im Schnitt von 42 auf 66 Meter –, wuchs die durchschnittliche Kapazität von 611 auf 1453 Kilowatt. Die installierte Kapazität nahm damit von 5,7 Gigawatt auf 37,6 Gigawatt zu. „Die Differenz zwischen dem zu erwartenden und dem tatsächlichen Stromertrag ist über die Jahre relativ konstant geblieben“, sagt Sonja Germer, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe. Die Forscher stellten also keinen Rückgang der Effizienz im Zusammenhang mit der gestiegenen Anzahl der Turbinen fest. „Wahrscheinlich nutzen wir einfach noch nicht genug Windenergie, um den Einfluss reduzierter Windgeschwindigkeiten deutlich genug sehen zu können“, so Sonja Germer.

EF/PH

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht