Erfassen von Merkmalsausprägungen unterstützt Strategien zum Schutz der Biodiversität

18. September 2018
Die globale Biodiversität kann nur sinnvoll gesteuert werden, wenn aktuelle, verlässliche und kontinuierliche Daten über die Vielfalt der Organismen vorliegen. Essentielle Biodiversitäts-Variablen (EBV) helfen bei deren Erfassung. In einer Perspektiven-Veröffentlichung in Nature Ecology & Evolution zeigen Biodiversitätsforscher auf, wie die variable Ausprägung von Merkmalen innerhalb einer Art als neue, messbare Größe in EBVs eingehen kann. Werden solche variablen Merkmalsausprägungen einbezogen, hilft dies zum einen, die Reaktion der Organismen auf globale Veränderungen zu beurteilen. Zum anderen sind diese Informationen wertvoll um Biodiversitäts-Ziele festzulegen, sagt Dr. Jens Kattge vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie.

Um die weltweiten Veränderungen der Biodiversität zu verstehen, braucht es die Erfassung festgelegter Kriterien mit einheitlichen Messgrößen. Diese zu definieren, ist das Ziel des Netzwerks zur Biodiversitäts-Beobachtung „Group On Earth Observations Biodiversity Observation Network“ (GEO BON). Vor etwa 5 Jahren hat GEO BON das Konzept der Essentiellen Biodiversitäts-Variablen (EBV) entwickelt, um auf globaler Ebene koordinierte Messungen zu ermöglichen, die für das Erkennen und die Dokumentation von Veränderungen der Biodiversität entscheidend sind. Ähnlich wie Essentielle Klima-Variablen, werden auch EBVs aus verschiedenen Datensätzen entwickelt. Sie enthalten die Mindestinformationen zur Erkennung von Veränderungen der Biodiversität im Laufe der Zeit. EBVs sind somit eine objektive Grundlage für Indikatoren, mit denen Ziele und Erfolge zum Schutz der Biodiversität gemessen werden können.

Merkmalsausprägungen innerhalb einer Art

Die klassische Messgröße zur Erfassung der Biodiversität ist die Anzahl unterschiedlicher Arten an einem Standort. Für ein besseres Bild der Artenvielfalt sollten allerdings auch weitere messbare Kriterien berücksichtigt werden, so auch die unterschiedliche Ausprägung von Merkmalen innerhalb einer Art. Die Größe eines Organismus ist ein einfaches Beispiel für solch ein variables Merkmal. Sie kann zwischen verschiedenen Individuen einer Population, aber auch zwischen verschiedenen Populationen unterschiedlich ausfallen und sich im Laufe der Zeit aufgrund von Umwelteinflüssen verändern.

In der aktuellen Publikation im Fachjournal Nature Ecology and Evolution beschreibt eine Gruppe von über 20 Biodiversitäts-Experten, welche Voraussetzungen notwendig sind, um die neue EBV-Kategorie der Merkmalsvariabilität zu etablieren. Die Merkmalsvariabilität kann verschiedene messbare Variationen der Individuen einer Art beinhalten, zum Beispiel zur Morphologie, der Reproduktion, der Physiologie, dem Wanderungsverhalten und den jahreszeitlich sich verändernden Entwicklungserscheinungen von Organismen.

„Bisher werden die Merkmalsausprägungen sehr erfolgreich beim Erfassen der lokalen Biodiversität genutzt“, sagt der Ko-Autor Dr. Jens Kattge, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der auch die kürzlich gegründete GEO BON Arbeitsgruppe zu Merkmalsausprägungen leitet. „Kleinere Individuen beim Fischfang und geringere Baumgrößen in der Forstwirtschaft zeigen eine Überbeanspruchung dieser Ökosysteme. Weniger Blätter und veränderte Konzentrationen an Blattinhaltsstoffen deuten auf Stress für den Wald, etwa durch sauren Regen. Wenn Vögel ihr Zugverhalten ändern und sich die jahreszeitlich veränderten Entwicklungsstadien der Pflanzen verschieben, deutet dies auf Auswirkungen des Klimawandels hin“, erläutert Dr. Kattge einige Beispiele.

Hohe Bedeutung für die Gesellschaft

Das internationale Forscherteam untersuchte auch die gesellschaftliche Bedeutung der Merkmalsausprägung und unterstreicht, dass diese auf globaler Ebene in bisherigen Indikatoren für Biodiversitätsveränderungen kaum repräsentiert sind. Solche Indikatoren werden aber zur Beurteilung von Zielvorgaben internationaler politischer Biodiversitätsstrategien benötigt. Unterschiedlich ausgeprägte Merkmale der Organismen können dabei auch direkten Einfluss auf die Bevölkerung haben, da sie oft mit gesellschaftlich relevanten Funktionen und Leistungen der Ökosysteme verknüpft sind.

Kontakt
Dr. Jens Kattge
Forschungsgruppe Funktionelle Biogeographie
MPI für Biogeochemie
Tel.: 03641 57 6226
E-Mail: jkattge@bgc-jena.mpg.de

Laetitia Navarro
Executive Secretary GEO BON
German center for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
laetitia.navarro@idiv.de

W. Daniel Kissling
Head of Biogeography & Macroecology (BIOMAC) lab & Associate Professor of Quantitative Biodiversity
University of Amsterdam (UvA)
w.d.kissling@uva.nl
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