Globale Wechselwirkungen zwischen Klima, Boden und Vegetation

6. August 2012
Dr. Markus Reichstein zum neuen Max-Planck-Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena ernannt. - Die aktuelle Debatte um den „globalen Wandel“ konzentriert sich vor allem auf den Treibhauseffekt, auf die damit verbundene Erwärmung der Atmosphäre und auf die Rückkopplung durch den Kohlenstoffkreislauf. Doch die Erde ist viel komplexer. Für ein umfassendes Verständnis des Erdsystems müssen auch andere Zusammenhänge viel gründlicher untersucht und mit einbezogen werden. Hierzu gehören insbesondere die Wechselwirkung des Kohlenstoffkreislaufs mit Wasser- und Nährstoffkreisläufen sowie Rückkopplungen zwischen der Vegetation, den Böden und der Atmosphäre. Diesen Themen widmet sich die unabhängige Forschungsgruppe um Dr. Markus Reichstein seit 6 Jahren höchst erfolgreich am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.

Zum 1. Juli 2012 wurde Reichstein im kompetitiven Verfahren nach internationaler Ausschreibung zum Max-Planck-Direktor und Abteilungsleiter berufen. „Mit dem zukünftigen Aufbau einer eigenen Abteilung Biogeochemische Modell-Daten Integration werden wir die Entwicklung von Methoden und Modellen intensivieren, mit denen globale Wechselwirkungen zwischen Klima, Boden und Vegetation grundlegend besser verstanden werden können“, freut sich Dr. Reichstein.

Ein Schwerpunkt der neuen Abteilung wird in der empirischen Analyse und der globalen Modellierung von Wechselwirkungen zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre liegen. Dr. Reichstein und seine Teamkollegen sind bereits Mitglied zahlreicher internationaler Forschungsprojekte zur Erdsystem-Modellierung sowie zur großflächigen Analyse des Kohlenstoffkreislaufs und von Treibhausgasen ganzer Kontinente. So baute Reichstein als wichtige Informationsquelle die globale FLUXNET-Datenbank mit auf: eine an weltweit mehr als 250 Standorten seit vielen Jahren erhobene Zusammenfassung von Beobachtungen über Kohlendioxid- und Wasseraustausch zwischen definierten Ökosystemen und der Atmosphäre. Typische Fragestellungen dieses Schwerpunkts sind: Wie reagieren Ökosysteme auf Klimaveränderungen und Wetterextreme und wie passen sie sich ihnen an? Wie beeinflusst der Wasserkreislauf den Kohlenstoffkreislauf und umgekehrt? Welche Regionen nehmen zur Zeit am meisten Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und vermindern damit den anthropogenen Treibhauseffekt?

“Eine Schlüsselrolle zum Verständnis dieser Fragen kommt dabei dem Boden zu, der bisher nicht ausreichend erforscht ist“, stellt Reichstein dabei fest. So ist allein der Kohlenstoffgehalt in den globalen Böden zahlenmäßig nur schlecht erfasst. Auch verschiedene Bodenfunktionen und -strukturen werden in heutigen Erdsystemmodellen immer noch sehr grob dargestellt. Reichstein bezeichnet daher den Bodenkohlenstoff methaphorisch als „schwarze Materie der Erdsystemforschung“. Eine verbesserte Gesamtbetrachtung der Böden, basierend auf bekannten Einzelprozessen, und ihre Einbeziehung in Erdsystem-Modelle wird daher einen weiteren Schwerpunkt von Reichsteins Arbeiten darstellen. So soll z.B. in Reichsteins QUASOM-Projekt, gefördert vom Europäischen Wissenschaftsrat (ERC), die Rolle von Bodenorganismen in einer heterogenen, vertikal differenzierten Bodenumgebung beschrieben werden.

Die Forschungsschwerpunkte des jungen Direktors ergänzen und verbinden in idealer Weise die Themen der beiden anderen Abteilungen am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Die Abteilung Biogeochemische Prozesse, unter der Leitung von Prof. Susan Trumbore, untersucht Schlüssel-Prozesse terrestrischer Ökosysteme, mit den Schwerpunkten Böden und Walddynamik. Die von Prof. Martin Heimann angeführte Abteilung für Biogeochemische Systeme, erforscht Veränderungen biogeochemischer Spurengase in der Atmosphäre und deren Beeinflussung durch regionalen Oberflächenaustausch. „Neue Erkenntnisse dieser Forschungsbereiche können in unsere Modelle globaler Wechselwirkungen zwischen Klima, Boden und Vegetation eingehen, und in einer Gesamtbetrachtung interpretiert werden“, so Reichstein. Dadurch können einerseits die Modelle verbessert, andererseits die Bedeutung einzelner Bodenprozesse oder atmosphärischer Veränderungen besser abgeschätzt werden.

Dr. Markus Reichstein studierte Landschaftsökologie mit den Nebenfächern Chemie, Botanik und Informatik an der Universität Münster und promovierte an der Universität Bayreuth. Als Marie-Curie-Stipendiat arbeitete er an der Universität Tuscia in Viterbo, Italien, mit längeren Forschungs-aufenthalten in Berkeley (Universität von Kalifornien) und Missoula (Universität von Montana). 2006 gründete er die unabhängige Max-Planck-Forschungsgruppe Biogeochemische Modell-Daten-Integration am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.
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