„Flora Incognita“ – Pflanzenbestimmung mit dem Smartphone

12. Dezember 2017
Das Projekt „Flora Incognita – Pflanzenbestimmung mit dem Smartphone“ der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena wurde als offizielles Projekt der „UN-Dekade Biologische Vielfalt” ausgezeichnet. Diese Ehrung wird an Projekte verliehen, die sich in nachahmenswerter Weise für die Erhaltung der biologischen Vielfalt auf der Welt einsetzen. Die teilautomatische Erkennung von wildwachsenden Blütenpflanzen in Thüringen mit einem Smartphone soll das Bewusstsein für Artenvielfalt in der Bevölkerung stärken und letztlich zu deren Erhaltung beitragen.

Die biologische Vielfalt ist in fast allen Ländern der Erde gefährdet. Für den Schutz und den Erhalt von Biodiversität ist Artenkenntnis eine grundlegende Voraussetzung. Doch die Menschen kennen die Pflanzen und Tiere, die sie umgeben, immer weniger. Naturschutzverbände und Wissenschaftler beklagen in unserer Gesellschaft abnehmende Artenkenntnisse, sogar unter Biologen. Die Bestimmung von Pflanzen mit herkömmlichen Büchern ist für Laien komplex, zeitintensiv und durch die Verwendung zahlreicher Fachtermini schwierig. Und auch Bildbände, die einfacher als Fachbücher Aufschluss über Pflanzen geben, sind im Freiland, zum Beispiel auf einem Sonntagspaziergang, oft nicht verfügbar. Untersuchungen zeigen, dass schon Schülerinnen und Schüler nur wenige Pflanzen- und Tierarten kennen. Diese Entwicklung ist für den Naturschutz gefährlich. Mit schwindenden Kenntnissen über Tiere, Pflanzen und deren ökologische Zusammenhänge nimmt die Bereitschaft in der Bevölkerung ab, sich für Naturschutz- und Umweltschutzbelange einzusetzen.

Digitale Kommunikationstechniken und mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets, die Teil unseres Alltags geworden sind, können diese Lücke schließen. Im Forschungsprojekt „Flora Incognita“ – unbekannte Pflanzenwelt – entwickeln Wissenschaftler der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena ein Verfahren, mit dem höhere Blütenpflanzen mit mobilen Endgeräten teilautomatisch bestimmt werden können. Der Prozess ist intuitiv genug, um auch Laien zu begeistern: Mit der Kamera des Smartphones wird ein Bild der Blüte aufgenommen. Danach wird die Pflanze automatisch durch eine Erkennungssoftware erfasst und mit einer internetbasierten Datenbank abgeglichen. In die Erkennung werden auch Umwelt- und Standortfaktoren einbezogen, und die Nutzer können im Zweifel weitergehende Fragen zur konkreten Fundsituation beantworten oder Bildteile markieren. Durch die automatische Bilderkennung, kombiniert mit Nutzerinteraktionen, wird die Pflanze – abgestimmt auf das Vorwissen und das Interesse des Nutzers - artgenau bestimmt. Auf diese Weise zweifelsfrei identifizierte Pflanzen bilden nicht nur den Nutzerweiter. Sie werden zusammen mit ihrem Standort an zentrale Datenbanken von Naturschutzbehörden und Forschungseinrichtungen übermittelt, wo sie dann in einer offenen Plattform privaten Nutzern und Behörden zur Verfügung gestellt werden. Mithilfe dieser Datenbanken können Forscher zudem Arten und deren Veränderung – zum Beispiel die Verbreitung invasiver Arten – wissenschaftlich dokumentieren.

Die Vereinten Nationen haben das Jahrzehnt 2011 bis 2020 zur Dekade für die biologische Vielfalt erklärt, mit dem Ziel, den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Um das gesell-schaftlichen Bewusstsein für biologische Vielfalt in Deutschland zu fördern, zeichnet die deutsche UN-Dekade regelmäßig nachahmenswerte Projekte aus. Die Juroren dieses Wettbewerbs werteten das Projekt „Flora Incognita – Pflanzenbestimmung mit dem Smartphone“ als „bedeutendes Zeichen für das Engagement für die biologische Vielfalt in Deutschland“. „Es ist eine tolle Erfahrung in einem solch interdisziplinären Team aus Biologen, Physikern, Medientechnikern und Informatikern zu arbeiten.", so die beiden Projektleiter Prof. Patrick Mäder (JP) und Dr. Jana Wäldchen, die den Preis von Beate Schrader, Leiterin der Stiftung Naturschutz Thüringen und Dr. Werner Westhus von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie überreicht bekamen. Die Auszeichnung solle den Einsatz der Beteiligten für die lebendige Vielfalt als Teil einer weltweiten Strategie würdigen, sodass möglichst viele Menschen sich von diesen vorbildlichen Aktivitäten begeistern lassen und die ausgezeichneten Projekte als Beispiel nehmen, selbst im Naturschutz aktiv zu werden.

„Wir freuen uns über die Anerkennung unserer Forschungsaktivitäten“, so der Prorektor für Wissen-schaft der TU Ilmenau, Prof. Kai-Uwe Sattler. „Wir sind stolz, einen nachhaltigen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt zu leisten und freuen uns, dass die Synergien der TU Ilmenau mit dem Max-Planck-Institut öffentlich geschätzt werden.“

Auch Prof. Markus Reichstein, Direktor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, bestätigt: „Sowohl die Zusammenarbeit zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung als auch die wegweisende Kombination von Ökologie, Geowissenschaften und Künstlicher Intelligenz wird hier mit Vorbildcharakter deutlich.“

Das Forschungsprojekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (01LC1319A, 01LC1319B), vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) (3514 685C19) und der Stiftung Naturschutz Thüringen (SNT-082-248-03/2014).

Kontakt an der TU Ilmenau:
JuniorProf. Patrick Mäder
Leiter Fachgebiet Softwaretechnik für sicherheitskritische Systeme
Tel. +49 3677 69-4839
E-Mail: patrick.maeder@tu-ilmenau.de

Kontakt am MPI für Biogeochemie:
Dr. Jana Wäldchen
Tel. +49 3677 69-4849
E-Mail: jwald@bgc-jena.mpg.de
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