CO2-Senke wiedererstarkt
Vor zehn Jahren befürchteten Wissenschaftler, dass die Leistung des Südlichen Ozeans, atmosphärisches Kohlendioxid aufzunehmen, erschöpft sein könnte. Die Analyse neuerer Beobachtungen aber zeigt, dass diese Senke in den letzten Jahren wiedererstarkt ist.
Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen: Der Südliche Ozean gleicht einer gigantischen Lunge, die im Verlauf der Jahreszeiten grosse Mengen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufnimmt und später wieder abgibt. Übers Jahr gesehen nehmen die Meere rund um die Antarktis aber insgesamt deutlich mehr CO2 auf als sie abgeben. Insbesondere entfernen diese Meere einen grossen Teil der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aus der Atmosphäre. Dies verlangsamt den Anstieg dieses Treibhausgases in der Atmosphäre und dämpft den Klimawandel. Obwohl der Südliche Ozean nur rund einen Viertel der gesamten Meeresfläche ausmacht, entfallen auf ihn 40 Prozent des von den Weltmeeren absorbierten menschgemachten Kohlendioxids.
Ab 2005 machten Wissenschaftler jedoch darauf aufmerksam, dass das Südpolarmeer «gesättigt» sein könnte. Basierend auf Resultaten aus Modellen gingen sie davon aus, dass die Senkenleistung seit den späten 1980er Jahren nicht mehr zugenommen hatte. Damit hatte die Forschung nicht gerechnet. Sie ging nämlich davon aus, dass sich die Senkenleistung parallel zur Konzentration des atmosphärischen CO2 entwickelt: Je stärker die CO2-Konzentration in der Luft steigt, desto mehr CO2 wird vom Meer absorbiert.
Nun hat sich das Blatt aber wieder gewendet. Seit Anfang des Jahrtausends hat die Kohlenstoffsenke ihre erwartete Stärke wieder erreicht. Dies zeigt ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik der ETH Zürich, und seinem Postdoc Peter Landschützer in einer Studie auf, die soeben in der Fachzeitschrift Science erschienen ist.
Neues statistisches Modell schliesst Messlücken
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler Messungen der CO2-Konzentration im Oberflächenwasser des Südlichen Ozeans südlich des 35. Breitengrades. Damit lässt sich der CO2-Fluss zwischen Wasser und Luft berechnen. Die Forschenden verglichen zudem die daraus resultierenden CO2-Flüsse mit Schätzungen, die auf atmosphärischen CO2-Messungen beruhen.
Die CO2-Konzentration des Oberflächenwassers wird im Südlichen Ozean von Forschungsschiffen oder von kommerziellen Schiffen entlang von Handelsrouten gemessen. Die Datennahme und Auswertung sind international standardisiert, die Messstrecke hängt aber vom jeweiligen Kurs ab, den ein Schiff einschlägt. Dadurch sind gewisse Meeresabschnitte gut abgedeckt, weite Teile jedoch gar nicht.
Mit Hilfe einer neuentwickelten Methode basierend auf neuronalen Netzwerken, konnten die Forschenden die CO2-Konzentration des Meerwassers statistisch modellieren und dann mit diesem statistischen Modell die Lücken füllen. Dazu kombinierten sie Satellitenbeobachtungen der Wassertemperatur, des Salz- sowie des Chlorophyll-Gehalts des Meerwassers.
CO2-Senke wieder hergestellt
Die interpolierten CO2-Daten im Oberflächenozean sowie die Abschätzungen auf der Basis der CO2-Messungen der Atmosphäre zeigen klar auf: Ab dem Jahr 2002 begann sich die Senkenleistung des Südlichen Ozeans zu erholen. Ab 2010 war sie wieder so stark wie die Wissenschaftler aufgrund der steigenden CO2-Konzentration der Atmosphäre erwarten.
Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Untersuchung liegt für Nicolas Gruber darin, dass die Stärke der Kohlenstoffsenke des Südlichen Ozeans starken, möglicherweise periodischen Schwankungen unterliegt und nicht nur dem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration folgt. «Diese grosse Variabilität hat uns überrascht», sagt der ETH-Professor.
Grosswetterlage begünstigt Wiedererstarkung
Den Grund für das Wiedererstarken der Kohlenstoff-Senke erklären Gruber und Landschützer vor allem mit einer Veränderung der «Grosswetterlage» über dem Untersuchungsgebiet. So haben sich die vorherrschenden Drucksysteme seit der Jahrtausendwende zunehmend asymmetrisch verteilt. Über dem atlantischen Sektor des südlichen Ozeans hat sich ein starkes Hochdrucksystem gebildet, über dem pazifischen Teil ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet. Dadurch veränderten sich die damit einhergehenden Winde: Sie wehen nun wellenförmig statt wie in 1990er-Jahre von West nach Ost. Damals waren sie auch stärker, was mehr Wasser aus tieferen Schichten an die Meeresoberfläche beförderte. Da dieses deutlich mehr CO2 enthält, kam es zu einer abnormalen Ausgasung dieses Treibhausgases in die Atmosphäre. Die Senkenleistung stagnierte oder nahm sogar ab. Seit dem Jahr 2000 hat der Auftrieb in allen Teilen des Südlichen Ozeans ausser im Pazifiksektor wieder abgenommen, und die CO2-Ausgasung stoppte.
Abnormales Ausgasen gestoppt
Die Winde veränderten jedoch auch die Temperatur des Oberflächenwassers. Sie führten dem Südatlantik warme Luft aus den Subtropen zu, was dessen Oberflächenwasser markant erwärmt hat. Gleichzeitig leitete das unübliche Tiefdrucksystem über dem Südpazifik aussergewöhnlich kalte Luft aus dem Innern der Antarktis zu diesem Meeresabschnitt, was diesen stark abkühlte.
Das kühlere Oberflächenwasser des pazifischen Sektors nimmt nun mehr CO2 auf. Im atlantischen Sektor hingegen sind die Veränderungen der windabhängigen Zirkulation dafür massgebend, dass mehr CO2 im Wasser gelöst wird.
Keine Prognose für Zukunft möglich
Wie sich die Senkenleistung des Südlichen Ozeans künftig entwickelt, können die Forschenden und ihr Team derzeit nicht abschätzen. «Unser statistisches Modell kann die künftige Entwicklung nicht voraussagen», sagt Peter Landschützer. Es sei deshalb wichtig, dass der CO2-Gehalt des Oberflächenwassers im Südlichen Ozean weiter gemessen werde. «Diese Messungen sind deshalb wichtig, weil aktuelle Modelle die beobachteten Variationen nicht reproduzieren könnten», ergänzt Gruber. «Nur anhand von langen Datenreihen können wir die künftige Entwicklung der ozeanischen Kohlenstoffsenke zuverlässig bestimmen.»
Ebenfalls noch nicht verstanden ist, welchen Einfluss grossräumige Klimaphänomene wie El Niño oder La Niña auf die Senkenleistung des Südlichen Ozeans haben. Insbesondere fällt auf, dass die Stärkung der Senke einhergeht mit einer Periode, die durch eher kühle Oberflächentemperaturen im Pazifik charakterisiert werden, in der also La Niña-Bedingungen herrschten. Die ozeanische Kohlenstoffsenke erstarkte überdies in einer Zeit, in der sich auch die globale Lufttemperatur– der Klima-Hiatus - nur wenig änderte. Dies könnte damit zu tun haben, dass der Ozean mehr Wärme aufnahm.