Wasser verbindet ober- und unterirdische Lebensräume

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Förderung von drei Sonderforschungsbereichen (SFB) der Friedrich-Schiller-Universität Jena verlängert. Darunter ist auch der SFB AquaDiva, der in der dritten Förderperiode für die nächsten vier Jahre rund elf Millionen Euro erhält.

Die sogenannte „Critical Zone“ ist die poröse Haut der Erde, wo Luft, Wasser, Gestein und Organismen miteinander wechselwirken. Sie erstreckt sich von der Vegetation durch den Boden und das Gestein bis hinab zum Grundwasser in zum Teil mehreren Hunderten von Metern Tiefe und ist durch Flüssigkeitsströmung und Stofftransport miteinander verbunden. Der Mensch ist abhängig von ihren Ressourcen – von der Wasserversorgung bis zur Nahrungsmittelproduktion. Umweltverschmutzung, Landnutzung und Klimawandel verändern zunehmend die oberirdischen Lebensräume – welche Auswirkungen das aber für die unterirdischen Lebensräume hat, bleibt häufig im Verborgenen.

Deshalb untersuchen Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) AquaDiva seit 2013, wie Wasser ober- und unterirdische Lebensräume verbindet und wie lokale geologische Gegebenheiten und Oberflächenbedingungen die Eigenschaften und funktionelle Diversität der unterirdischen Lebensräume bestimmen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat nun entschieden, das Konsortium für vier weitere Jahre mit rund elf Millionen Euro zu fördern. Neben neun Instituten der Universität Jena sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Leibniz-Institut für Photonische Technologien e. V. (Leibniz-IPHT) und das Max-Planck-Institut für Biogeochemie beteiligt.

Mikroorganismen im Untergrund fixieren wie Algen viel Kohlendioxid

„Wetterextreme, wie Sommerdürren und starke Regenfälle, die wir gerade in den letzten Jahren verstärkt beobachten, haben einen starken Einfluss auf die Stoffausträge von der Oberfläche in den Untergrund und damit auch auf die Grundwasserneubildung“, sagt Prof. Dr. Kirsten Küsel, die den SFB gemeinsam mit Prof. Dr. Susan Trumbore und Prof. Dr. Kai Uwe Totsche leitet. Auch verstärkte Landnutzung, wie das Ausbringen von Düngemitteln, kann die Qualität des Grundwassers nachhaltig beeinträchtigen. Für Vorhersagen zur Grundwasserquantität und -qualität ist es notwendig, sowohl die biogeochemischen Prozesse während des Transports durch den Untergrund, als auch die Mikroorganismen, die an Umsetzungsprozessen beteiligt sind, besser zu verstehen. Die Jenaer Expertinnen und Experten haben biotische und chemische „Fingerabdrücke“ ermittelt, die für bestimmte Oberflächeneigenschaften oder „Oberflächensignale“ stehen und zeigen, wie schnell sie transportiert und wie sie auf ihrem Weg zum Grundwasser umgewandelt werden.

In der dritten Förderperiode ab Juli 2021 wollen die Forschenden zeitliche Entwicklungen anhand der großen Menge an gesammelten Daten aus den vorangegangenen Jahren des Projektes zusammenhängend auswerten. „Unter anderem mithilfe einer Vielzahl von sogenannten reaktiven Tracern lernen wir, die vielfältigen Fließwege und komplizierten Transportprozesse im Untergrund besser erklären und abschätzen zu können“, erklärt Prof. Totsche. In dieser tiefen Biosphäre des Untergrunds leben etwa 60 Prozent der gesamten Mikroorganismen auf der Erde, die den Menschen wichtige Dienste leisten.

„Eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Arbeitsgruppen der Mikrobiologie der Universität Jena und unserem Institut für Biogeochemie konnte zeigen, dass Bakterien im Untergrund ähnlich wie Algen im Ozean größere Mengen Kohlendioxid aufnehmen und in Biomasse umwandeln“, berichtet Prof. Trumbore. Zu diesen autotrophen Bakterien gehören auch sogenannte Anammox-Bakterien, die hauptsächlich für die Eliminierung von Stickstoff (Nitrat) im Grundwasser verantwortlich sind. Eines der Ziele der Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es nun, neuartige Anammox-Bakterien aus dem Grundwasser zu isolieren, die man für die Abwasserreinigung einsetzen könnte.

Neue Untersuchungsplattform ermöglicht Vorhersagen

Ausgangspunkt für viele Messungen des SFB ist die Untersuchungsplattform „Hainich Critical Zone Exploratory“ nahe dem Hainich Nationalpark. Dieses 25 Quadratkilometer große Untersuchungsgebiet ist mit einer Vielzahl innovativer Messinstrumente ausgestattet und ermöglicht den Gewinn von Wasser-, Gas- und Materialproben aus unterirdischen Kompartimenten, Böden und dem Grundwasser. Um die bisher erstellten Konzepte zu verallgemeinern, richteten die Forschenden mit dem „Saale-Elster-Sandsteinplatte Observatory“ bereits eine zweite Untersuchungsplattform ein, die vergleichbare Landnutzung aber unterschiedliche Geologie aufweist. Der Vergleich von Daten der beiden Plattformen wird dabei helfen, Vorhersagen über die Reaktion der unterirdischen Lebensräume und vor allem des Grundwassers auf Szenarien des Klimawandels und die Folgen für die Wasserressourcen zu entwickeln.

(Sebastian Hollstein)

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