Waldschäden im Amazonas auch durch heftigere Stürme
Häufigere starke Stürme zerstören immer größere Flächen des Amazonas-Regenwalds und tragen damit wesentlich zum Waldsterben bei. In einer neuen Studie unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena wurden im gesamten Amazonasbecken Sturmschäden aus den Jahren 1985 bis 2020 kartiert und berechnet. Die Forscher fanden, dass sich die Zahl der großen Sturmschäden, auch Windwurf genannt, und die Gesamtfläche der betroffenen Wälder im untersuchten Zeitraum etwa vervierfacht hat.
Mit dem Klimawandel steigt die Anzahl besonders starker Stürme, die auch in Wäldern schwere Schäden anrichten. Solche vom Windwurf geschädigten Gebiete können von wenigen Quadratmetern bis zu mehreren hundert Hektar groß sein und die Struktur und Zusammensetzung des Waldes verändern. Neben gezielter Abholzung, Brandrodung und Waldbränden bedrohen also auch häufigere starke Stürme den Amazonas-Regenwald.
David Urquiza-Muñoz, Doktorand am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena untersuchte diesen Zusammenhang mit einem internationalen Team. „Wir haben festgestellt, dass sich die Anzahl der großflächigen Windwürfe und auch die damit verbundene Fläche zwischen 1985 und 2020 fast vervierfacht hat“, sagt Urquiza-Muñoz, Erstautor der kürzlich veröffentlichten Studie. Dieses Ergebnis bestätigt, dass intensive Stürme im Amazonasgebiet immer häufiger werden, wie es Modelle zu den Veränderungen durch den Klimawandel generell erwarten lassen.
Welchen Anteil starke Stürme am Waldsterben im gesamten Amazonasgebiet haben, kann derzeit noch nicht zuverlässig bestimmt werden. Auf der Ebene einzelner Untersuchungsgebiete konnte aber gezeigt werden, dass Sturmschäden etwa für die Hälfte des gesamten Baumsterbens verantwortlich sind.
Auf lokaler Ebene sind großflächige Windwürfe rein statistisch selten zu erwarten. Urquiza-Muñoz und sein Team fanden jedoch auch heraus, dass etwa ein Drittel aller Windwürfe in nur etwa drei Prozent der Fläche des riesigen Amazonasbeckens auftraten. „Überraschenderweise scheinen einige Gebiete deutlich stärker von Windwürfen betroffen zu sein als andere“, so Urquiza-Muñoz, „zum Beispiel das zentrale und westliche Amazonasgebiet“. Die Gründe hierfür sind bisher unbekannt.
Windwürfe können langfristig eine ökologische Sukzession, den schrittweisen Umbau eines geschädigten Ökosystems, auslösen. Als Folge verändern sich in den folgenden Jahrzehnten bis Jahrhunderten die Struktur der Wälder, deren Artenzusammensetzung und die Kohlenstoffbilanz. „Dies deutet darauf hin, dass Windstörungen wahrscheinlich die Landschaften in den Regionen prägen, in denen sie am häufigsten auftreten“, sagt Prof. Susan Trumbore, Direktorin am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und Mitautorin der Studie. Mit welchem Ergebnis ein geschädigtes Ökosystem sich langfristig regeneriert, hängt von vielen natürlichen Variablen und dem Einfluss des Menschen ab.
Urquiza-Muñoz untersuchte Windwurf-Ereignisse, indem er eine Datenbank über große Windwürfe zwischen 1985 und 2020 erstellte. Er und seine internationalen Kollegen und Kolleginnen verwendeten Bilddaten von Landsat-Satelliten. Sie verglichen Bilder von einem Jahr mit dem nächsten und suchten nach vom Wind geschädigten Gebieten. Erkennbar sind diese durch bestimmte geometrische Merkmale oder dadurch, dass umgestürzte Bäume das Spektrum des reflektierten Lichts verändern. Mit dieser Methode konnten die Forschenden großflächige Windwürfe von mehr als 30 Hektar identifizieren.
Die Studie zeigte jedoch große Schwankungen bei den Windwurfereignissen zwischen verschiedenen Jahren. Diese können nicht durch die üblichen Ursachen von Klimaschwankungen im Amazonasgebiet, wie El Niño und La Niña, erklärt werden. Es gibt also noch viel Forschungsbedarf zu Windwürfen. Mit der neuen, öffentlich zugänglichen Datenbank aus der Studie können künftig die spezifischen meteorologischen Bedingungen, die zu Windwürfen führen, und letztlich deren Auswirkungen auf die Dynamik und Vielfalt des Waldes leichter untersucht werden. Darüber hinaus können eine höhere Auflösung von Satellitenbildern und die Anwendung der LiDAR-Technologie die Erkennung und lokale Verbreitung von Windwürfen sowie die Interpretation der Auswirkungen zukünftig weiter verbessern.
Die Windwurfstudie ist auch deshalb besonders wichtig, weil für die Amazonas-Region nur wenige kontinuierliche Langzeit-Klimaaufzeichnungen existieren. Sie wurde kürzlich in AGU Advances veröffentlicht und im Wissenschaftsmagazin Eos gewürdigt. Die Arbeit ist das Ergebnis einer mehrjährigen Zusammenarbeit von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie und des Geographischen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Fakultät für Forstwissenschaften der Nationalen Universität des peruanischen Amazonasgebiets in Peru, des Lawrence Berkeley Laboratory in Kalifornien, USA, und des Julius-Kühn-Instituts für Waldschutz in Braunschweig, Deutschland.