DKK-Position zum Umgang mit dem 1,5°C-Ziel
Die Umsetzung des Pariser Klimaabkommen ist inzwischen kaum mehr plausibel, kann aber trotzdem nicht aufgegeben werden. Das DKK hat in seinem Positionspapier in sechs Kernbotschaften zu diesem Dilemma Stellung bezogen.
2024 könnte wieder das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden. Schon 2023 lag die Temperaturerhöhung so dicht wie nie zuvor an der im Pariser Abkommen festgelegten 1,5°C-Grenze. Eine hitzige mediale Diskussion über das Verfehlen des Pariser Klimaziels war die Folge. Zwar geht es nicht um einzelne Jahre, sondern um das 20-Jahresmittel aber auch dieses wird laut IPCC in absehbarer Zeit überschritten werden. Das DKK hat in seinem Positionspapier in sechs Kernbotschaften zu diesem Dilemma Stellung bezogen. Die Botschaften sind abgeleitet aus einem internen Workshop des DKK anlässlich seiner diesjährigen Jahrestagung in Berlin. Zu den Autoren zählt Markus Reichstein, Vortstandsmitglied des DKK und Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie.
Kernbotschaften
1. Das absehbare Überschreiten des Zielwertes von 1,5°C sollte offen kommuniziert werden.
Der sechste IPCC-Sachstandsbericht konstatiert, dass das 20-Jahresmittel der globalen Temperaturerhöhung vermutlich Anfang der 2030er Jahre die 1,5°C-Grenze überschritten haben wird. Die Gestaltung der Klimaanpassung sollte von aktuell plausiblen Temperaturszenarien ausgehen und sich auf diese vorbereiten.
2. 1,5°C stellt keine physikalische Schwelle des Klimawandels dar.
Es gibt keinen trennscharfen Übergang von einem sicheren Klima zu einem gefährlichen Klimawandel. Schon heute verursacht der Klimawandel in vielen Teilen der Welt erhebliche Schäden. Die Veränderung der lokalen Durchschnittstemperatur weicht an vielen Orten deutlich nach oben und unten vom globalen Mittel ab.
3. Mit jedem weiteren Zuwachs an globaler Erwärmung werden Änderungen von Extremen weiterhin größer.
Der Weltklimarat IPCC hat in seinem Sonderbericht zum 1,5°C-Ziel die Unterschiede in den erwartbaren Klimafolgen zwischen 1,5°C und 2°C herausgearbeitet. Hier wird dargelegt, dass es bei 2°C erheblich mehr Klimaschäden geben wird als bei 1,5°C. Im sechsten Sachstandsbericht des IPCC ist belegt, dass es bei jedem halben Grad Celsius weiteren Temperaturanstieg deutlich erkennbar mehr Hitzewellen, Starkniederschläge und Überflutungen gibt.
4. Das Pariser Abkommen ist völkerrechtlich verbindlich und steht daher nicht zur Disposition
Es benennt das Ziel, die Erwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen und konkretisiert dies mit Verweis auf die 1,5°C. Artikel 2 konstatiert, dass die „Bedrohung durch Klimawandeländerungen“ gemindert werden soll, indem „der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde“. In Artikel 4 benennt das Pariser Abkommen das Ziel der Treibhausgasneutralität und legt hierfür einen Zeithorizont fest. Der Artikel führt aus, „so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen […], um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken […] herzustellen“. In dem von 195 Staaten sowie der EU verabschiedeten Pariser Abkommen ist somit politisch festgelegt, was als gefährlicher Klimawandel betrachtet wird und was durch angemessene politische Maßnahmen zu vermeiden ist.
5. Für das Temperaturziel legt das Pariser Abkommen keinen konkreten Zeithorizont fest.
Allerdings kann der genaue Wortlaut „deutlich unter 2°C…gehalten wird“ (Pariser Abkommen, Art. 2, Betonung hinzugefügt) als ein Hinweis darauf interpretiert werden, dass der klimatisch gemittelte Temperaturanstieg dauerhaft und zu jeder Zeit deutlich unter 2°C gehalten werden soll. Gleichwohl entstand im Klimawandeldiskurs das Konzept des „Overshoot“, also eines nur temporären Überschreitens des Temperaturziels. Allerdings – vorausgesetzt ein nur temporäres Überschreiten des Pariser Temperaturziels gelänge – birgt dieser Ansatz das Risiko von irreversiblen Schäden, z.B. Korallensterben, Überflutungen, Waldsterben und Gletscherschmelzen.
6. Es sind insbesondere die gesellschaftlichen Treiber wie Konsumverhalten und Unternehmensstrategien, die der Einhaltung des 1,5°C-Ziels entgegenwirken.
Die Gesellschaftswissenschaften liefern dazu relevante Hinweise; ebenso zu politischen Handlungsoptionen für ein Umsteuern. Bisher sind die getroffenen politischen Entscheidungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele, insbesondere für das Ziel der tiefen Dekarbonisierung, unzureichend. Vor allem steht die große soziale Ungleichheit in vielen Gesellschaften der Welt einer Dekarbonisierung bis 2050 im Weg. Gleichwohl gibt es Entwicklungen, die das Erreichen des 1,5°CZiels befördern, und daher deutlicher herausgestellt werden sollten. Dazu gehört, dass heute global fast doppelt so viel in erneuerbare Energien investiert wird wie in fossile oder auch, dass die Kosten für Solarenergie in den letzten 20 Jahren um ca. 90 Prozent gesunken sind.