Auf dem Weg zu einer neuen Generation von Vegetationsmodellen
Pflanzen und Vegetation ermöglichen das Leben auf der Erde, aber wir verstehen immer noch nicht im Detail, wie sie den Kohlenstoffkreislauf und die Funktionen der Ökosysteme beeinflussen. Eine neue, vom IIASA (International Institute for Applied Systems Analysis) geleitete Studie untersuchte die wichtigsten Organisationsprinzipien, die das Verhalten der Vegetation steuern, und wie diese zur Verbesserung von Vegetationsmodellen eingesetzt werden können.
Übersetzung einer Pressemitteilung der IIASA zu einer Veröffentlichung mit BGC-Autor Dr. Sönke Zaehle.
Wir sind auf die Pflanzen unserer Ökosysteme angewiesen, die auf unserem Planeten Sauerstoff in die Atmosphäre abgeben und Kohlendioxid (CO2) daraus aufnehmen, sowie Lebensraum und Nahrung für Wildtiere und Menschen bieten. Diese Leistungen sind für die künftige Bewältigung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme und Freisetzung von CO2. Die Fähigkeit der Vegetation zur Erbringung dieser Leistungen wird von vielen komplexen Prozessen beeinflusst. Die Leistungen sind daher nach wie vor schwer vorhersagbar.
In einer von der IIASA geleiteten Perspektive, die in der Zeitschrift Nature Plants veröffentlicht wurde, ging ein internationales Forscherteam dieses Problem an, indem es nach Ansätzen suchte, um diese Komplexität zu beherrschen und unsere Fähigkeit zur Vorhersage der Vegetationsdynamik zu verbessern. Sie untersuchten die wichtigsten Organisationsprinzipien, die diese Prozesse steuern - insbesondere die natürliche Auslese, die Selbstorganisation (Kontrolle des kollektiven Verhaltens von Individuen) und die Entropie-Maximierung (Kontrolle des Ergebnisses einer großen Anzahl von Zufallsprozessen). Im Allgemeinen bestimmt oder beschränkt ein Organisationsprinzip, wie sich Komponenten eines Systems, z.B. verschiedene Pflanzen in einem Ökosystem oder verschiedene Organe einer Pflanze, zusammen verhalten. Mathematisch gesehen kann ein solches Prinzip als eine zusätzliche Gleichung betrachtet werden, die zu einem Gleichungssystem hinzugefügt wird und es ermöglicht, eine oder mehrere bisher unbekannte Variablen im System zu bestimmen und dadurch die Unsicherheit der Lösung zu verringern.
Mit hohem Aufwand wurde daran geforscht, wie Pflanzenprozesse zusammenwirken, um die Dynamik der Vegetation auf grösseren Skalen zu bestimmen. Um das Prozessverständnis aus verschiedenen Disziplinen zu integrieren, wurden dynamische Vegetationsmodelle (DVMs) entwickelt, die Elemente aus der Pflanzenbiogeographie, Biogeochemie, Pflanzenphysiologie und Waldökologie kombinieren. DVMs sind in vielen Bereichen weit verbreitet, unter anderem bei der Beurteilung der Auswirkungen von Umweltveränderungen auf Pflanzen und Ökosysteme, bei der Landbewirtschaftung und bei Rückkopplungen von Vegetationsveränderungen auf das regionale und globale Klima.
"Trotz der ständig zunehmenden Datenverfügbarkeit und der Tatsache, dass die Vegetationswissenschaft, wie viele andere wissenschaftliche Bereiche auch, vom zunehmenden Zugang zu großen Datensätzen und neuen Beobachtungstechnologien profitiert, müssen wir auch grundlegende Prinzipien wie die Evolution verstehen, um den Sinn der großen Daten zu verstehen. Die derzeitigen Modelle sind nicht in der Lage, langfristige Reaktionen der Vegetation zuverlässig vorherzusagen", erklärt Hauptautor Oskar Franklin, ein Forscher im IIASA Ecosystems Services and Management Program.
Die Studie fand heraus, dass durch die Darstellung der Prinzipien der Evolution, der Selbstorganisation und der Entropiemaximierung in Modellen das komplexe Pflanzenverhalten und die daraus resultierende Vegetation als Ergebnis der Umweltbedingungen besser vorhergesagt werden können. Obwohl jedes dieser Prinzipien zuvor zur Erklärung eines bestimmten Aspekts der Vegetationsdynamik verwendet worden war, wurden ihre kombinierten Auswirkungen nicht vollständig verstanden. Dieser Ansatz bedeutet, dass viele komplexe Variationen und Verhaltensweisen auf verschiedenen Skalen, von den Blättern bis zu den Landschaften, nun besser vorhergesagt werden können, ohne dass ein zusätzliches Verständnis der zugrunde liegenden Details oder weitere Messungen erforderlich sind. Die Autoren erwarten, dass der vorgeschlagene "Ansatz der nächsten Generation" nicht nur zu einem besseren Verständnis und Management der Biosphäre führt, sondern auch zu unterschiedlichen Verläufen des prognostizierten Klimawandels führen kann, mit denen sowohl die Politik als auch die breite Öffentlichkeit zurechtkommen müssten.