Die Schädigung der Tropenwälder durch den Menschen ist größer als bisher angenommen
Tropenwälder sind für den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas unerlässlich. Ihr Bestand geht durch Abholzung und Umwandlung für die Landwirtschaft, den Bergbau oder Infrastruktur zurück. Oft wird aber übersehen, dass auch die verbleibenden Wälder durch menschliche Einflüsse kontinuierlich fragmentiert und geschädigt werden. Mittels Fernerkundungsdaten und modernsten Methoden der Datenanalyse haben Forschende nun erstmalig einen Überblick über das Ausmaß und die langfristigen Auswirkungen der Schädigung feuchter Tropenwälder gewonnen. Ihre in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt, dass die Auswirkungen dieser Schädigung größer sind als bisher angenommen.
Um die biologische Vielfalt zu schützen und die entscheidende Rolle der Wälder bei der Abmilderung des Klimawandels zu stärken, muss der weltweite Waldverlust dringend gestoppt werden, wie kürzlich auf den Konferenzen der Vereinten Nationen zum Klimawandel und zur biologischen Vielfalt betont wurde. Die Erhaltung der Wälder in den feuchten Tropen ist besonders wichtig, um diese Ziele zu erreichen. Wenn vom Rückgang der Wälder die Rede ist, liegt der Fokus meist auf der Entwaldung durch Abholzen größerer Waldflächen und deren Nutzung für Landwirtschaft, Berg- und Straßenbau. Wälder existieren jedoch in einem breiten Spektrum von Zuständen, das von intakten Wäldern bis hin zu bestehenden, aber deutlich geschädigten Wäldern reicht. Letztere befinden sich in der Regel an den Rändern größerer Flächen und in fragmentierten Landschaften.
Bestehende Wälder werden häufig durch menschliche Aktivitäten wie selektive Abholzung und Feuer sowie durch Randeffekte geschädigt. Letzteres bedeutet, dass die Bäume an den Waldrändern ungünstigen Umweltbedingungen ausgesetzt sind, die weitgehend von der benachbarten Umgebung wie Straßen und bewirtschafteten Flächen abhängen. Die Schädigung von Wäldern kann sich oft auf eine weit größere Fläche auswirken als vollständige Rodungen, und sie führt zu erheblichen zusätzlichen Kohlenstoffemissionen und zum Verlust der biologischen Vielfalt. Trotz ihrer großen Auswirkungen werden diese Waldschädigungen häufig übersehen und bei Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen oft vernachlässigt.
Um die Schädigung und Fragmentierung tropischer Wälder zu quantifizieren, hat ein internationales Team von Wissenschaftler*innen modernste Technologie eingesetzt, um Daten des Global Ecosystem Dynamics Investigation (GEDI)-Instruments auf der Internationalen Raumstation ISS zu analysieren. Durch die Kombination der GEDI-Schätzungen von Waldstruktur und Biomasse mit langfristigen (1990-2022) Satellitenbeobachtungen von Veränderungen der Waldbedeckung haben sie den verborgenen menschlichen Fußabdruck auf feuchte Tropenwälder aufgedeckt und seine bleibenden Auswirkungen quantifiziert.
Die Studie zeigt, dass die Fragmentierung der Wälder durch die Ausweitung von Landwirtschaft und Straßenbau an den Rändern zu Schäden führt, indem sie die Höhe der Baumkronen und die Biomasse um 20-30 % verringert. Dieser Randeffekt reicht jedoch noch weiter in den Wald hinein, z. B. durch mikroklimatische Veränderungen. Sogar bis 1500 Meter innerhalb des intakten Waldes kann er zu geringeren Kronenhöhen und einer geringeren Biomasse führen. Der in der Studie berechnete Randeffekt bedroht bis zu 18 % der feuchten Tropenwälder, bedingt durch die starke Fragmentierung und die weit in das Waldinnere reichenden Auswirkungen.
Die Studie hat auch ergeben, dass selbst Störungen geringer Intensität die Höhe der Baumkronen um 20-80 % verringern und die Struktur der Baumkronen über 20 bis 30 Jahre hinweg stark verändern können. Diese langfristige Verschlechterung ist wahrscheinlich auf eine niedrige Erholungsrate zurückzuführen, die von der Waldzusammensetzung und den klimatischen Bedingungen sowie von zusätzlichen Störungen abhängt.
"Kumulative Störungen durch den Menschen, beispielsweise durch nicht nachhaltige Abholzung, Feuer und Randeffekte, sind besonders wichtig", sagt Gregory Duveiller, Mitautor und Projektgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Solche kumulativen Ereignisse erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Entwaldung, sobald 50 % der Baumkronenhöhe verloren gegangen sind. Außerdem sind degradierte Wälder anfälliger für zusätzliche natürliche Störungen wie Klimaextreme, die ihre potenzielle Widerstandsfähigkeit verringern und ihre langfristige Zukunft gefährden.
"Insgesamt zeigt die Studie, dass die Auswirkungen der Degradierung auf die Baumkronenstruktur größer sind als bisher bekannt war", fügt Duveiller hinzu. Die Studie zeigt nicht nur das Ausmaß der Degradation, sondern liefert auch neue Erkenntnisse zur Identifizierung von Wäldern, die durch landwirtschaftliche oder andere menschliche Expansionen besonders gefährdet sind.
In Anbetracht der vielfältigen Ökosystemleistungen, die die Tropenwälder erbringen, unterstreichen die Ergebnisse der Studie die Notwendigkeit ihres Schutzes. Der verborgene menschliche Fußabdruck der Tropenwalddegradation und ihre dauerhaften Auswirkungen erfordern größere Anstrengungen zur Verhinderung der Degradation und zum Schutz bereits degradierter Wälder, um die auf den jüngsten Konferenzen der Vereinten Nationen zum Klimawandel und zur biologischen Vielfalt gemachten Zusagen zu erfüllen.