Wie sich das Klima auf die Pflanzenwurzeln auswirkt
Leipzig/Jena/Wyoming/Wageningen. Die Eigenschaften einer Pflanze sind entscheidend dafür, unter welchen Umweltbedingungen diese Pflanze überleben kann. Eine neue Studie, geleitet von der Universität von Wyoming (UW) und durchgeführt mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie MPI-BGC, und der Universität Wageningen (WUR), die in Nature Ecology and Evolution veröffentlich wurde, beleuchtet diese Beziehung mit dem Fokus auf Eigenschaften der Wurzeln und stellt die Natur ökologischer Trade-offs in Frage.
Pflanzenwurzeln bleiben im Allgemeinen unter der Erdoberfläche verborgen. Doch ihre Rolle für das Überleben von Pflanzen ist nicht zu unterschätzen, denn sie dienen der Aufnahme von Wasser und Nährstoffen. Wenig ist bislang darüber bekannt, welche Rolle die Wurzelmerkmale bei der Verbreitung von Pflanzenarten spielen. Um diese Beziehung näher zu untersuchen, hat ein internationales Forschungsteam die Datenbanken GRooT für Wurzelmerkmale, basierend auf der TRY-Datenbank des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, sowie sPlot für das Vorkommen von Pflanzenarten analysiert. Beide Datenbanken sind die weltweit größten ihrer Art. Die Forschungsarbeit wurde durch iDivs Synthesezentrum sDiv ermöglicht, das die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Ländern und Disziplinen unterstützt.
Temperatur und Wasserverfügbarkeit definieren die Wurzelmerkmale
Die Forschenden analysierten verschiedene Wurzelmerkmale: einerseits die sogenannte spezifische Wurzellänge und den Wurzeldurchmesser, andererseits die Dichte des Wurzelgewebes und den Stickstoffgehalt in den Wurzeln. Diese Merkmale setzten sie zu den Umweltbedingungen in Beziehung, unter denen die Pflanzen vorkommen. Mit Blick auf den Lebensraum Wald fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass Arten mit verhältnismäßig dicken Feinwurzeln und einem dichten Wurzelgewebe eher in wärmerem Klima vorkommen, während Arten mit zierlicheren und längeren Feinwurzeln sowie einer geringeren Wurzeldichte häufiger in kälterem Klima vorkommen – ein klassischer Trade-off.
Im Gegensatz dazu wuchsen Waldpflanzen mit einem größeren Wurzeldurchmesser und dichtem Wurzelgewebe häufiger unter trockeneren Klimabedingungen. Arten, deren Wurzeln gegensätzliche Merkmale aufwiesen, kamen jedoch nicht vorwiegend unter feuchten Bedingungen im Wald vor. Stattdessen ließ sich in warmen oder feuchten Klimabedingungen eine Vielfalt an Wurzelmerkmalen feststellen.
Wurzelmerkmale stellen ökologische Trade-offs in Frage
Ökologische Theorien basieren auf sogenannten Trade-offs, wobei sich unterschiedliche Merkmale zwischen den Arten als Anpassungsreaktion auf verschiedene Umweltbedingungen herausbilden. Doch das hat einen Preis: Ein Organismus kann in einer Sache sehr gut sein, dies geht jedoch zulasten einer anderen. Im Pflanzenreich bedeutet das: eine Merkmalsausprägung (hier z.B. eine geringe spezifische Wurzellänge) ist unter bestimmten klimatischen Bedingungen vorteilhaft. Die entgegengesetzte Ausprägung dieses Merkmals (hier eine große spezifische Wurzellänge) bringt wiederum Vorteile unter den entgegengesetzten Umweltbedingungen mit sich.
Doch manche Wurzelmerkmale entsprachen nicht dieser generellen Theorie, sondern waren mit einfach gerichteten Vorteilen verbunden: Eine hohe Merkmalsausprägung bedeutet Vorteile unter bestimmten Klimabedingungen, doch ein niedrige Merkmalsausprägung ist nicht vorteilhaft in entgegengesetzten Bedingungen. „Wir waren überrascht, wie häufig diese einfach gerichteten Vorteile im Vergleich zu Trade-offs bei Pflanzenwurzeln vorkommen“, sagt Daniel Laughlin von der Universität von Wyoming. „Das stellt unser Verständnis davon in Frage, wie Merkmale die Verbreitung der Arten beeinflussen, was in der wissenschaftlichen Gemeinschaft bislang ein Rätsel ist“, fügt Letztautorin Alexandra Weigelt hinzu, Professorin an der Universität Leipzig und Mitglied bei iDiv.
Das könnte bedeuten, das einseitig gerichtete Vorteile weiter verbreitet sind als bisher angenommen. Sie kamen vor allem unter extrem kalten und trockenen Klimabedingungen vor, unter denen die Ressourcen knapper sind als unter warmen und feuchten Klimabedingungen. Dort findet sich hingegen eine größere Vielfalt an Wurzelmerkmalen. „Wir glauben, dass unsere Studie zu einem besseren Verständnis beitragen kann, welche Merkmalskombinationen in bestimmten Klimazonen möglich sind. Das ist wichtig für die Wiederherstellung von Ökosystemen in einer sich verändernden Welt“, sagt Liesje Mommer von der Universität Wageningen.
(adaptiert nach Kati Kietzmann, iDiv)