Der Zeitpunkt der CO2-Emissionen ist mitentscheidend für die Erwärmung der Erdoberfläche

Bei der Untersuchung des Klimawandels wird allgemein angenommen, dass die Gesamtmenge der Kohlenstoffemissionen bestimmt, wie stark sich der Planet erwärmt. Bisher wurden Strategien zur Eindämmung des Klimawandels auf dieser Grundlage entwickelt. Eine neue Studie, veröffentlicht in PLOS One, legt jedoch nahe, dass nicht nur die Menge, sondern auch der Zeitpunkt dieser Emissionen das Ausmaß der Oberflächenerwärmung auf menschlicher Zeitskala bestimmt.

Aktuelle Strategien, mit denen die Erwärmung der Erdoberfläche unter bestimmten Schwellenwerten (1,5 oder 2 °C) gehalten werden soll, beruhen darauf, lediglich die Gesamtmenge der anthropogenen Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Diese Annahme fußt auf einer nahezu linearen Beziehung zwischen kumulativen Emissionen und Erderwärmung, die sich aus dem Ausgleich nichtlinearer Wechselwirkungen im physikalischen und biogeochemischen System der Erde ergibt. Der Weltklimarat (IPCC) schätzt diese Beziehung immer wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit ein.

Die neue Studie, geleitet von Dr. Alexander J. Winkler, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, legt jedoch nahe, dass diese lineare Beziehung nicht so eindeutig ist wie bisher angenommen. Das Team aus Forschenden der Max-Planck-Institute für Biogeochemie und Meteorologie sowie der Boston University, analysierte speziell entwickelte Simulationen mit einem verbesserten Erdsystemmodell. In diesem Modell wurden frühere Vereinfachungen, insbesondere in Bezug auf Landökosysteme, optimiert.

Die durchgeführten Simulationen verteilten die gleiche Gesamtmenge an Kohlenstoff im selben Zeitraum entlang verschiedener idealisierter Emissionsverläufe, ausgehend von denselben vorindustriellen Bedingungen. So konnte gezeigt werden, dass der Zeitpunkt der Emissionen die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und die anschließende Erwärmung auf einer hundertjährigen Zeitskala erheblich beeinflusst. Ein früheres Emittieren des Kohlenstoffs kann in einer bis zu 37 Prozent niedrigeren atmosphärischen CO2-Konzentration resultieren. Dies führt zu einer Verringerung der Erwärmung an der Erdoberfläche um bis zu 0,3 °C und über Land um fast 0,5 °C – alles bei der gleichen Menge an Kohlenstoffemissionen, die dem IPCC-Kohlenstoffbudget für eine globale Erwärmung von 2°C entspricht (~ 1200 Gigatonnen Kohlenstoff). Obwohl diese idealisierten Simulationen nicht direkt auf  Klimaschutzstrategien anwendbar sind, unterstreichen sie die entscheidende Rolle von Nichtlinearitäten in der Reaktion des Erdsystems  auf den zeitlichen Verlauf von Kohlenstoffemissionen.

Dr. Winkler erklärt: "Der Zeitpunkt der CO2-Emissionen ist von Bedeutung, insbesondere für die globalen Ökosysteme. Ökosysteme reagieren auf klimatische Veränderungen, die durch Emissionen ausgelöst werden, z. B. durch eine polwärts gerichtete Verschiebung der Baumgrenze als Reaktion auf die Erwärmung. Es dauert jedoch Jahrzehnte, bis die Bäume wachsen und CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen; wir müssen daher diese verzögerte Reaktionen bei der Vorhersage künftiger Klimaänderungen berücksichtigen".

Prof. Dr. Victor Brovkin, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Mitautor der Studie, fügt hinzu: "Während unsere neuen Ergebnisse die etablierte Quantifizierung der Kohlenstoffbudgets und die damit verbundenen Ziele für die Klimaerwärmung nicht grundsätzlich in Frage stellen, zeigen sie doch zusätzliche Unsicherheiten auf, die mit der bisher nicht berücksichtigten  Dynamik im Kohlenstoffkreislauf-Klimasystem zusammenhängen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines besseren Verständnisses der globalen Ökosysteme und ihrer Entwicklung im Laufe der Zeit."

Die neue Studie verdeutlicht die langsamen und verzögerten Reaktionen des Kohlenstoffkreislaufs auf Emissionen. Sie eröffnet eine neue Perspektive auf die komplexen Beziehungen zwischen Kohlenstoffemissionen und globaler Erwärmung, welche für das Verständnis und die Vorhersage des künftigen Klimawandels entscheidend sind.

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