Wurzelwachstum der Pflanzen folgt ökonomischen Prinzipien

Die Gestalt des Wurzelgeflechts einer Pflanze hängt häufig stark von der Symbiose mit Pilzen ab. Dies fand eine internationale Forschungsgruppe in Zusammenarbeit unter anderem mit der Freien Universität Berlin (FU), dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie sowie der Universitäten Halle, Leipzig und Wageningen heraus, die die komplexe unterirdische „Ökonomie“ von Pflanzenwurzeln untersucht hat. Im Journal Science Advances beschreiben die Biologinnen und Biologen unterschiedliche Wachstumsstrategien des Wurzelwerks und dessen „Zusammenarbeit“ mit Pilzen. Hierfür analysierten sie die Wurzelmerkmale von rund 1.800 Pflanzenarten aus aller Welt. Ihre neuen Erkenntnisse ermöglichen nun ein besseres Verständnis von der „Wurzelökonomie“, von den Anpassungen und Austauschprozessen im Boden sowie deren Abhängigkeit von einer im Wandel begriffenen Umwelt.

Basierend auf der Pressemitteilung der Freien Universität Berlin

Pflanzen besitzen die Fähigkeit, durch den Prozess der Photosynthese Licht in chemische Energie umzuwandeln und Kohlenstoff als biochemischen Grundbaustein zu binden. Aus dem Erdreich nehmen sie über ihre Wurzeln lebensnotwendige Elemente auf – Nährstoffe, Mineralien und Wasser. Die Autorinnen und Autoren der Studie vergleichen diese Stoffwechselprozesse mit wirtschaftlichen Wertschöpfungsketten. In der Ökonomie der Pflanzen stellt dabei Kohlenstoff die Hauptwährung dar. Pflanzen können ihn in das Wachstum ihrer Organe investieren – und so beispielsweise Blätter, Blüten, Samen oder Wurzeln ausbilden.

Es ist schon länger bekannt, dass Pflanzen bei der Ausbildung ihrer oberirdischen Organe, vor allem ihrer Blätter, unterschiedliche Wachstumsstrategien verfolgen. Kurzlebige Blätter etwa lassen sich verhältnismäßig ressourcensparend produzieren. Sie können allerdings nur für eine begrenzte Zeit Photosynthese betreiben und Kohlenstoff binden. Langlebige Blätter hingegen verlangen höhere Investitionen, bleiben aber für eine längere Zeit funktionstüchtig. Das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Joana Bergmann (FU Berlin), an dem auch Dr. Jens Kattge vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie beteiligt war, konnte nun Belege dafür finden, dass auch das Wurzelwachstum von vergleichbaren „ökonomischen“ Prinzipien geleitet wird. Die Ausbildung und Lebensdauer der Wurzeln hängen von der biochemischen Investition von Kohlenstoff und Energie ab.

Den Studienergebnissen zufolge hat dabei die Symbiose mit Mykorrhizapilzen einen besonders großen Einfluss auf die Ausprägungen des Wurzelgeflechts. Viele Pflanzen haben ihre Versorgungsketten im Erdboden in unterschiedlichem Maße „ausgelagert“. Pilze stellen ihnen über spezielle Austauschverknüpfungen Bodennährstoffe zur Verfügung. Im Gegenzug erhalten die Pilze über die Pflanzenwurzeln Kohlenstoff. Die Forschenden entdeckten, dass die entsprechenden Anpassungen, die den Stoffaustausch mit den symbiotischen Pilzen ermöglichen, die Gestalt der Wurzeln maßgebend beeinflussen. "Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Anpassungen der Pflanzen an die Zusammenarbeit mit Bodenpilzen besser zu verstehen.” erklärt Dr. Jens Kattge, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und Mitglied vom Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Mit Hilfe der von ihm betreuten TRY-Datenbank konnten erstmalig wichtige Wurzelmerkmale aus verschiedenen früheren Studien zusammengetragen, interpretiert und für die vorliegende Studie genutzt werden.

Die untersuchten Wurzelmerkmale wiesen außerdem deutliche Muster entlang des Stammbaums der Pflanzen auf. Dieses Geben-und-nehmen-Verhältnis habe sich im Verlauf der Evolution angepasst und verfeinert, erklärt Joana Bergmann, die Leiterin des Forschungsprojekts. Eine „Arbeitsteilung“ zwischen Pflanzen und Pilzen sei je nach Verwandtschaftskreis der Pflanzen unterschiedlich stark ausgeprägt. Pflanzen könnten viele unterschiedliche Wachstums- und Kooperationsstrategien verfolgen, um lebenswichtige Nährstoffe zu beschaffen – auch durch „Pilz-Outsourcing“.

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