Wenn Mikroben übers Essen streiten
Man sieht sie mit bloßem Auge nicht, aber unser Waldboden ist übersät mit Mikroorganismen. Sie zersetzen herabfallendes Laub und verbessern damit die Bodenqualität und wirken dem Klimawandel entgegen. Doch wie stimmen diese Einzeller sich über ihre Aufgabenverteilung ab? Diesem bisher wenig verstandenen Prozess ist ein internationales Forschungsteam auf den Grund gegangen. Die Forschenden konnten zeigen, dass Bakterien beim Abbau von Laub chemische Verbindungen herstellen, die die Konkurrenten kontrollieren. Durch diesen Wettbewerb wird die Aufgabenverteilung in der Gemeinschaft optimiert: nur die Mikroorganismen, die andere Mitstreiter abwehren können und gleichzeitig gut an das Nahrungsangebot angepasst sind, setzen sich durch. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in Scientific Reports veröffentlicht.
Kleine Moleküle mit großer Wirkung
In Wiesen und Wäldern wird der Kohlenstoffkreislauf dadurch angetrieben, dass mikrobielle Gemeinschaften das jährlich fallende Laub zersetzen und verwerten. Hierfür müssen viele verschiedene Schritte des Abbaus durchlaufen werden. Verschiedene Mikroorganismen können dabei ähnliche Funktionen übernehmen. Dieses Konzept der funktionellen Überlappungen basiert auf genetisch angelegten Eigenschaften, die aktiv werden können, aber auch ungenutzt bleiben können. Die aktiven Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und ihrer Nahrungsquelle, aber auch untereinander, werden durch eine Vielzahl kleiner Moleküle vermittelt. Wenn es im Wald auf die Laubschicht regnet, vermengen sich diese Moleküle mit Naturstoffen aus der Umwelt. Es entsteht eine komplexe Mischung, die in den Geowissenschaften als gelöste organische Materie bezeichnet wird. Da sie auch Moleküle der Mikroorganismen enthält, gibt die chemische Analyse ihrer Zusammensetzung auch Auskunft über den aktiven mikrobiellen Stoffwechsel. Die Forscher*innen untersuchten über 6000 organische Moleküle, die in gelöster organischer Materie von vier verschiedenen Laubarten und zwei unterschiedlichen geographischen Standorten vorkamen.
„Obwohl uns die genaue Struktur der einzelnen Moleküle noch weitgehend unbekannt war, gelang es, sie mit einer Netzwerkanalyse nach ihrer möglichen Herkunft gruppieren“, erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Simon Schroeter vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Den so gefundenen Molekülgruppen konnten dann mit Hilfe biochemischer Datenbanken Funktionen in verschiedenen Stoffwechselwegen zugeschrieben werden. Obwohl die mikrobiellen Gemeinschaften wie erwartet ähnliche Funktionen aufwiesen, passten sie sich innerhalb weniger Tage an das unterschiedliche Laub an. Es scheint, dass die Aufgabenverteilung weniger davon abhängt, wer welche Funktion erledigen kann, denn das unterscheidet sich kaum, sondern vielmehr davon, wer sich am besten an die Gesamtsituation anpasst und gleichzeitig durchsetzungsstark ist. „Unsere Untersuchungen ergeben eine neue Sichtweise auf die gelöste organische Materie, besonders bezogen auf ihre hohe Bedeutung für den mikrobiellen Stoffwechsel“, so Schroeter weiter, „ein Konzept das man als Meta-Metabolom bezeichnen kann“.
Interdisziplinäre Forschung als Schlüssel zu einem ganzheitlichen Verständnis von Umweltprozessen
Bei der Frage, wie sich Mikroorganismen bei bestimmten Nahrungsangeboten verhalten, liegt die besondere Herausforderung darin, die aktiven Stoffwechselprozesse der gesamten mikrobiellen Gemeinschaft nachvollziehen zu können. Die genetische Ausstattung einer Art beantwortet diese Frage allein nicht. In der Studie wurden daher neben DNA-Sequenzierungen auch die Zusammensetzung der Proteine und die Zwischen- und Endprodukte des Stoffwechsels analysiert. Hierbei zeigte sich, dass auch molekulare Stoffwechselpfade aktiv sind, die zur Biosynthese von Antibiotika führen. Die Freisetzung von hemmenden oder gar tödlichen Antibiotika verschafft deren Produzenten einen starken Wettbewerbsvorteil in der Konkurrenz um das Nahrungsangebot. Die Forscher*innen sehen darin, dass der Wettbewerb die Anpassung der mikrobiellen Gemeinschaft vorantreibt und sie optimiert. Der mikrobielle Streit ums Essen könnte also durchaus konstruktiv sein und diejenigen Spezies unterstützen, deren Fähigkeiten sehr gut an das Nahrungsangebot angepasst sind.
„Die Funktionsweise mikrobieller Gemeinschaften in der Umwelt ganzheitlich zu verstehen, ist eine Aufgabe, die wir nur interdisziplinär lösen können.“, stellt der Initiator der Studie Prof. Dr. Gerd Gleixner fest. Er verweist dabei auf die nationalen und internationalen Partner des Projekts, mit ihren unterschiedlichen aber sich ergänzenden wissenschaftlichen Kompetenzen. „Auch das Austauschprogramm für Nachwuchswissenschaftler*innen unserer Graduiertenschule (IMPRS-gBGC) hat uns dabei enorm geholfen“, so Gleixner weiter.
Die veröffentlichten Ergebnisse wurden im DFG-geförderten Sonderforschungsbereich (SFB 1076) AquaDiva erarbeitet. Die Probennahmen erfolgten an der AquaDiva-Forschungsstation im Hainich Nationalpark (Thüringen) und an der Forschungsstation Gut Linde der Zwillenberg-Tietz-Stiftung (Brandenburg). An der Studie beteiligt waren neben dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie auch Arbeitsgruppen der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Prof. Küsel, Prof. Pohnert), des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (Prof. von Bergen) und der Universität Nantes (Prof. Eveillard).