Nachhaltige Waldbewirtschaftung trägt durch verringerten Verbrauch fossiler Brennstoffe zum Klimaschutz bei

Entgegnung auf die Pressemitteilung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde vom 10.8.2020:

ED Schulze1, C. Sierra1, V. Egenolf2, R. Woerdehoff3, R. Irsinger4, C. Baldamus5, I. Stupak6, H. Spellmann3


1 Max Planck Institute for Biogeochemistry, Box 100164, 07701 Jena, Germany
2 CESR-SURF, Uni Kassel, Wilhelmshöher Allee 47, 34117 Kassel, Germany
3 Nordwestdeutsche Fortl. Versuchsanstalt, Grätzelstr 2, 37079 Göttingen, Germany
4 Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, Rottenburg am Neckar, Germany
5 Stiftung August Bier, Ziegeleiweg 1, 15848 Rietz-Neuendorf, Germany
6 Dept. of Geosciences and Nat. Resource Management, University of Copenhagen, Denmark

In einer Studie, die am 13. Januar 2020 im Journal Global Change Biology Bioenergy erschienen ist(1), kommt ein Team um Ernst-Detlef Schulze, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie, zur Schlussfolgerung, dass der nachhaltig bewirtschaftete Wald zur Eindämmung des Klimawandels beiträgt, indem er den Verbrauch fossiler Brennstoffe senkt. Zu dieser Studie hat das Max-Planck-Institut für Biogeochemie am 10. Februar 2020 eine Pressemitteilung herausgegeben(2). In einer Pressemitteilung vom 10.08.2020(3) zitiert die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) 3 Publikationen, welche die Studie von Ernst-Detlef Schulze et al. vermeintlich widerlegen. Im Unterschied zur von der HNEE mitverfassten Studie(4) wurden aber in den beiden anderen Studien(5,6) nicht die wissenschaftlich verwendeten Daten von Schulze et al. kritisiert oder gar widerlegt, sondern die Datenauswahl, Interpretationen und Schlussfolgerungen in Frage gestellt sowie mögliche Konsequenzen der Ergebnisse diskutiert. Bereits vor der Publikation von Welle et al.(4) und der zugehörigen Pressemitteilung der HNEE(3) haben Schulze und Kollegen eine wissenschaftlich-inhaltliche Erwiderung(7) zu Kun et al.(5) und Booth et al.(6) publiziert, was von Welle et al. jedoch nicht berücksichtigt wurde.

Ernst Detlef Schulze und seine Coautoren fassen ihre Antwort auf die Kritik hier noch einmal zusammen:
Die Schlussfolgerung unserer Arbeit ist nach wie vor gültig. Sie bezieht sich ausschließlich auf nachhaltig bewirtschaftete Wälder und den klimarelevanten Aspekt der CO2-Freisetzung. Unsere Schlussfolgerung stellt nicht den Nutzen von Waldnationalparks oder sonstiger Naturschutz-Flächen zur Sicherung der Biodiversität in Frage. Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ziele für die Nutzung des Waldes können jedoch zueinander komplementär, indifferent, konkurrierend oder sogar konträr sein. So müssen nicht-bewirtschaftete Wälder, die zum Schutz der Artenvielfalt eingerichtet wurden, nicht unbedingt förderlich sein für den Klimaschutz. Zur bestmöglichen Nutzung unserer Wälder empfehlen wir eine ausgewogene Balance in der Waldbewirtschaftung entsprechend der angestrebten unterschiedlichen Ziele, deren Priorisierung sich aber insbesondere durch den Klimawandel verändern kann.

Im Folgenden nehmen wir zu den einzelnen Kritikpunkten Stellung:

  1. In nachhaltig bewirtschafteten Wäldern sind die Produktionszeiträume aus waldwachstumskundlichen und ökonomischen Gründen so gewählt, dass der durchschnittliche jährliche Nettozuwachs an Holz, und damit die Bindung von CO2 aus der Atmosphäre, deutlich höher ist, als während der Lebenszyklen nicht bewirtschafteter Wälder. Waldinventuren erfassen die Zustände von Wäldern und im Fall von Wiederholungen ihre periodischen Veränderungen. Die dabei erfassten Veränderungen der Holzvorräte sind nicht mit dem periodischen Zuwachs gleichzusetzen, da sie die Abgänge durch Nutzungen und Mortalität nicht berücksichtigen. Das hohe Zuwachsniveau der bewirtschafteten Wälder in Deutschland wird durch Daten der dritten Bundeswaldinventur(8) bestätigt.
  2. Die Nutzung von Holz als Bau- und Werkstoff ist nicht nur klimaneutral sondern sogar klimaschützend, wenn nachhaltig produziertes Holz dazu verwendet wird. Bei der stofflichen Nutzung für Holzprodukte, die alternative Bau- und Werkstoffe ersetzen, die in ihrer Herstellung energieaufwändiger sind, werden fossile Brennstoffe (Öl, Gas) eingespart, die ansonsten mehr CO2 freisetzen würden. Ein gutes Beispiel für die sinnvolle Nutzung ist z.B. Bauholz für Dachstühle, Fachwerkhäuser, Holzhäuser. Diese Einsparung fossiler Brennstoffe entfällt im nicht-bewirtschafteten Wald. Mit dem Verbrennen oder Verfall nach der Nutzung wird zwar das im Holz gebundene CO2 wieder freigesetzt, das aber auch beim natürlichen Zerfall des Holzes im Naturwald wieder in die Atmosphäre abgegeben würde. Die energetische Nutzung von Holz am Ende einer Kaskade zunächst stofflicher Holzverwendungen erhöht daher den Klimaschutzbeitrag der Wälder. Die „Verbrennung von frischem Stammholz“, wie in der Pressemitteilung der HNEE vermerkt, ist verwendungstechnisch und ökonomisch geradezu abwegig und war von den Autoren um Schulze auch nicht als klimaschützend propagiert worden.
  3. Den Vorwurf, bei der Datennutzung und –auswertung in unserer Veröffentlichung schwerwiegende Fehler gemacht zu haben, weisen wir entschieden zurück. Die Veränderungen der Holzvorräte sind richtig berechnet worden und beziehen sich auf die Waldflächen im Nationalpark Hainich. Die sukzessionale Waldentwicklung auf zuvor kahlgeschlagenen Flächen wurde dabei mit berücksichtigt: Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes sind alle mit Forstpflanzen bestockte Flächen, also auch Sukzessionsflächen, sofern die natürlich aufgekommene Bestockung ein durchschnittliches Alter von fünf Jahren erreicht hat und wenn mindestens 50 % der Fläche bestockt sind (BMEL 2016). Diese müssen dann auch bei Waldinventuren berücksichtigt werden.

Für den Nationalpark Hainich liegen als Datengrundlage zwei Waldinventuren vor. Bei der ersten Inventur im Jahr 2000 waren 1200 Waldinventurpunkte aufgenommen worden, bei der zweiten im Jahr 2010 1421 Waldinventurpunkte. Der Anstieg um 221 Waldinventurpunkte ergibt sich aus der Waldentwicklung auf Teilflächen des Nationalparks. Der Nationalparkbericht beginnt im Kapitel über die Holzvorräte wie folgt: „Im Nationalpark wurde bei der Inventur 2010 ein mittlerer Vorrat an lebender Derbholzmasse von 367,5 m³/ha auf der Grundlage von 1.421 Stichprobenpunkten ermittelt (Auswertung N 2010). Gegenüber der Erstaufnahme (363,5 m3/ha bei 1200 Stichprobenpunkten) ist der Vorrat damit nur unwesentlich gestiegen“ (Zitat aus Nationalpark Hainich, 2010). Die Differenz beträgt 3,97 m3/ha in 10 Jahren bzw. die von uns verwendeten 0,4 m3/ha/Jahr.

Eine von Welle et al. eingeforderte selektive Betrachtung nur eines Ausschnittes der Waldflächen im Nationalpark Hainich lässt unserer Meinung nach keine validen Aussagen für die Gesamtentwicklung des Waldes im Nationalpark zu. Ein derartiges Vorgehen ist nach unserer Meinung insbesondere dann nicht korrekt, wenn man die Inventuren für Treibhausgas-Bilanzen verwenden will. Da wir uns in der ursprünglichen Publikation auf den Nationalpark als geographische Einheit bezogen haben, sind nur die Daten für uns relevant, die den Park als Ganzes beschreiben.

Abschließend muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Pressemitteilung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) die Rolle des Ko-Autors unseres Beitrages, Prof. Dr. Hermann Spellmann, falsch darstellte. Prof. Dr. Hermann Spellmann war an der Publikation nicht als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beteiligt, sondern unabhängig davon in seiner Funktion als damaliger Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. Die HNEE hat inzwischen ihre Pressemitteilung vom 10.08.2020(3) hinsichtlich Titel, Zusammenfassung, Haupttext und Ansprechpartner teilweise revidiert und in der neuen Version auf den Internetseiten abgelegt(9).

Wir laden die Kritiker ein, den Dialog zu diesem umweltpolitisch relevanten Thema auf wissenschaftlicher Ebene konstruktiv weiter zu führen und bieten an, hierfür geeignete Plattformen zu schaffen.
Eine englisch-sprachige, wissenschaftliche Version dieser Stellungnahme ist in Global Change Biology Bioenergy eingereicht und wird dort in Bälde publiziert werden.

Zitierte Quellen

(1) Schulze, E.D., Sierra, C.A., Egenolf, V., Woerdehoff, R., Irslinger, R., Baldamus, C., Stupak, I. & Spellmann, H. (2020). The climate change mitigation effect of bioenergy from sustainably managed forests in Central Europe. GCB Bioenergy 12, 186–197. https://doi.org/10.1111/gcbb.12672.

(2) Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie

(3) Pressemitteilung der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberwalde

(4) Welle, T., Ibisch, P.L., Blumröder, J.S., Bohr, Y.E.-M.B., Leinen, L., Wohlleben, T. & Sturm, K. (2020). Incorrect data sustain the claim of forest-based bioenergy being more effective in climate change mitigation than forest conservation. GCB Bioenergy, doi.org/10.1111/gcbb.12738

(5) Kun, Z., DellaSala, D., Keith, H., C., Cormos, C., Mercer, B., Moomaw, W.R. & Wiezik, M. (2020) Recognizing the importance of unmanaged forests to mitigate climate change. GCB Bioenergy, doi.org/10.1111/gcbb.12714.

(6) Booth, M.S., Mackey, B., Young, V. (2020) It’s time to stop pretending burning forest biomass is carbon neutral. GCB Bioenergy, doi.org/10.1111/gcbb.12716.

(7) Schulze, E.D., Sierra, C., Egenolf, V., Woerdehoff, R., Irslinger, R., Baldamus, C., Stupak, I., Spellmann, H. (2020) Response to the letters by Kun et al. and Booth et al. GCB Bioenergy. doi.org/10.1111/gcbb.12724

(8) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), 2016: Ergebnisse der Bundeswaldinventur 2012, Berlin, 277 S.

(9) Revidierte Pressemitteilung der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberwalde

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht