Verbessertes Modell des Kohlenstoffkreislaufs kann helfen, gemeldete Emissionen zu überprüfen
Forscher der University of California und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie haben ein genaueres Modell des globalen Kohlenstoffkreislaufs entwickelt. Das Modell berücksichtigt besser, wie die Ökosysteme der Landoberfläche zu den atmosphärischen Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid beitragen. Diese terrestrischen Ökosysteme sind eine wichtige Quelle der Unsicherheit für Wissenschaftler, die die globalen Emissionen berechnen.
Die verbesserte Genauigkeit des Modells könnte der Menschheit dabei helfen, die von den Ländern gemeldeten Kohlenstoffemissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu überwachen und zu überprüfen. Das Nachvollziehen der Quellen anthropogener Emissionen wird zu einem zunehmend wichtigen Bestandteil des Pariser Klimaabkommens.
Das neue Modell kann die gemeldeten globalen Emissionen über einen Zeitraum von fünf Jahren mit der Hälfte der Unsicherheit eines früheren Modells verifizieren. Dieser Fünfjahreszeitraum ist für das Pariser Abkommen von besonderer Bedeutung für die so genannte globale Bestandsaufnahme. Bei der Bestandsaufnahme werden alle fünf Jahre die Fortschritte der Welt bei der Senkung der Treibhausgasemissionen und bei anderen Aspekten der Bekämpfung des Klimawandels bewertet. Die erste globale Bestandsaufnahme ist bereits im Gange.
"Die Halbierung dieses Fehlerbereichs hilft uns zu erkennen, ob die vom Menschen verursachten Emissionen wirklich sinken oder steigen", sagte Ralph Keeling, Mitautor der Studie und Klimawissenschaftler an der Scripps Institution of Oceanography, University of California, in San Diego.
Die Studie, die heute in Nature Climate Change veröffentlicht wurde, verbesserte die Leistung eines einfachen Modells, indem sie die räumlich und saisonal variierenden Einflüsse der Temperatur auf den Kohlenstoffkreislauf an Land besser berücksichtigte. Das Modell erreichte dies, indem es die Ergebnisse früher veröffentlichter Forschungsarbeiten einbezog, die eine globale Karte ergaben, aus der hervorging, wie sich kurzfristige Temperaturschwankungen auf die Kohlenstoffbilanz von Landökosystemen auswirken.
"Die Auswirkung der Temperatur auf den Kohlenstoffkreislauf an Land hängt von der Jahreszeit ab und davon, wo man sich auf der Erde befindet", sagte Benjamin Birner, der Hauptautor der Studie und ehemaliger Postdoktorand bei Scripps. "Eine Pflanze reagiert zum Beispiel vielleicht nicht so gut auf große Hitze im Sommer, aber im Frühling wächst sie vielleicht besser, wenn es wärmer ist.“
Die gute Leistung des Modells deutet aber auch auf eine unerwartete Stabilität der Landökosysteme in ihrer Reaktion auf steigende Temperaturen bei fortschreitendem Klimawandel hin. Dies steht im Gegensatz zu einer einflussreichen Studie aus dem Jahr 2014, in der anhand ähnlicher atmosphärischer Daten argumentiert wurde, dass tropische Ökosysteme in den letzten Jahrzehnten empfindlicher auf Temperaturschwankungen reagiert haben.
Der Anteil der terrestrischen Ökosysteme am Kohlenstoffpuzzle ist besonders wichtig, weil er von Jahr zu Jahr schwankt und in der Vergangenheit im Vergleich zu den anderen drei Hauptkohlenstoffspeichern (oder "Senken") und -quellen des Planeten mit der größten Unsicherheit behaftet war. Diese drei anderen Hauptvariablen im Kohlenstoffhaushalt der Erde sind die Ozeane, Veränderungen in der Landnutzung oder Landbedeckung wie beispielsweise die Abholzung von Wäldern, und Emissionen aus menschlichen Aktivitäten wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Zementherstellung.
Wenn Forscher in der Vergangenheit versuchten, die Beiträge dieser vier Quellen und Senken (Landnutzungsänderungen, Ozeane, landgestützte Ökosysteme sowie fossile Brennstoffe und Industrie) zu addieren, um die tatsächlich gemessenen Veränderungen des atmosphärischen Kohlendioxidgehalts auszugleichen, blieben bis zu 760 Millionen Tonnen Kohlenstoff unberücksichtigt. Dies entspricht etwa 8 % der derzeitigen weltweiten Emissionen fossiler Brennstoffe. Forscher nennen diese Diskrepanz das Ungleichgewicht des Kohlenstoffbudgets.
Bisher gab es im Wesentlichen zwei Arten von Modellen, mit denen versucht wurde, die jährlichen Schwankungen des Kohlenstoffaustauschs zwischen der Landbiosphäre und der Atmosphäre zu erklären. Bei der ersten Art handelt es sich laut Birner um einen "relativ einfachen statistischen Ansatz". Er zielt darauf ab, zu erfassen, wie der langfristige Aufbau von atmosphärischem Kohlendioxid und wichtige Klimavariablen wie Temperatur, Feuchtigkeit oder die El Niño-Southern Oscillation (ENSO) die in der Landbiosphäre gespeicherte Kohlenstoffmenge beeinflussen. Die zweite Art von Modell wird vom Global Carbon Project (GCP) verwendet, einer internationalen wissenschaftlichen Initiative, die jährlich ein neues Kohlenstoffbudget für die gesamte Erde erstellt. Das GCP kombiniert Ergebnisse aus hochkomplexen Computerprogrammen, die die globale Vegetation und alle damit verbundenen biogeochemischen und hydrologischen Prozesse dynamisch simulieren. Diese führen schließlich zu den von Wissenschaftlern gemessenen Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre.
Das Problem ist bei beiden Ansätzen, dass zum Ausgleich des Kohlenstoffbudgets immer noch große unerklärte Restbeträge übrig bleiben, pro Jahr etwa 750 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Diese Ungleichgewichte machen es schwieriger, die von den Ländern der Welt gemeldeten Kohlenstoffemissionen genau zu überprüfen. Und sie erschweren das Verständnis dafür, wie das Erdsystem insgesamt auf die steigenden Temperaturen reagiert.
Um die Modelle zu verbessern, nutze das Team die Arbeit von Christian Rödenbeck, Projektleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und Mitautor der Studie. Rödenbeck entwickelte eine Methode, mit der sich ableiten lässt, wie sich die Temperatur an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Jahreszeiten auf die Menge an Kohlenstoff auswirkt, die von Landökosystemen gespeichert oder in die Atmosphäre abgeben wird. Er verwendete dafür detaillierte Aufzeichnungen der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentration und eine Datenbank mit Temperaturen von 196 Messstationen auf der Landoberfläche unserer Erde. Seine Untersuchungen ergaben eine globale Karte, auf der die Temperaturempfindlichkeit des Kohlenstoffkreislaufs zu verschiedenen Jahreszeiten vermerkt ist.
Das Forscherteam bezog diese Ergebnisse jahreszeitlicher Temperaturempfindlichkeiten in die Gleichung für ein neues statistisches Modell mit ein, das auf dem früheren ENSO-Modell des Kohlenstoffkreislaufs basiert. Um das neue Modell zu testen, nutzten die Forscher Aufzeichnungen der atmosphärischen Kohlendioxidkonzentrationen, die zwischen 1958 und 2021 am Mauna Loa-Vulkan auf Hawaii und am Südpol gemessen wurden.
Das neue Modell übertraf sowohl das einfache ENSO-Modell als auch das komplexe dynamische Vegetationsmodell von GCP. Auf der jährlichen Skala ließ das neue Modell nur 500 Millionen Tonnen Kohlenstoff unberücksichtigt, was eine Verbesserung von etwa 250 Millionen Tonnen Kohlenstoff im Vergleich zu den ENSO- und GCP-Modellen darstellt. Auf der dekadischen Skala, die 10 Jahre abdeckt, schnitt das neue Modell sogar noch deutlich besser ab, mit nur der Hälfte der Unsicherheit früherer Modelle.
Das Modell verringert damit die Unsicherheit des Kohlenstoffbudgets und macht es zu einem besseren Instrument zur Überprüfung der gemeldeten nationalen Kohlenstoffemissionen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren kann das neue Modell die Emissionen mit einer Unsicherheit von nur 4,4 % verifizieren. "Die Leistungsfähigkeit des Modells verdeutlicht, dass nicht nur die Temperatur oder anomale Wärme für den Kohlenstoffkreislauf von Bedeutung ist, sondern auch deren Zeitpunkt und Ort", sagte Birner.
Birner stellte auch die überraschende Stabilität der Temperaturempfindlichkeit der Landbiosphäre fest. Er erklärte, dass die Temperaturempfindlichkeiten des Modells in jedem Jahr, in dem sie durchgeführt wurden, identisch waren. Hätte sich die Temperaturempfindlichkeit der Landökosysteme in der realen Welt erheblich verändert, hätte das Modell die gemessene Zunahme des Kohlendioxids in der Atmosphäre nicht erfolgreich berücksichtigen können.
Dies sei überraschend, da Pflanzen stark auf Temperatur reagieren und Lebewesen die Fähigkeit haben, sich über Generationen weiterzuentwickeln und anzupassen. Es wäre leicht vorstellbar, dass sich Pflanzen an ein wärmeres Klima anpassen, durch veränderte Reaktionen auf Temperaturveränderungen. Doch das haben die Forscher nicht beobachtet. Stattdessen blieben die Temperaturempfindlichkeiten der Landökosysteme unserer Erde in den 60 Jahren, die das Team zur Überprüfung der Leistung ihres Modells verwendete, sehr konstant.
Die Autoren stellen jedoch auch fest, dass die Modell-Leistung jenseits von etwa 20 Jahren nachlässt. Außerdem warnen sie davor, die Stabilität der Temperaturempfindlichkeit zu weit in die Zukunft zu extrapolieren. "Wir zeigen ein hohes Maß an Stabilität, aber das bedeutet nicht, dass der Kohlenstoffkreislauf nicht auf die Temperatur reagiert", so Keeling. "Diese Stabilität hält vielleicht nicht ewig an. Es ist wahrscheinlich, dass es Schwellenwerte im System gibt, jenseits derer diese Stabilität zerfällt und wir tatsächlich höhere Temperaturen sehen könnten, die zu höheren Kohlenstoffemissionen aus der Landbiosphäre führen."
Das neue Modell kann auch helfen, die Grundlagen des Kohlenstoffkreislaufs auf der Erde besser zu verstehen - ein Schlüssel zur Vorhersage und Bekämpfung des Klimawandels. „Die grundlegenden Annahmen dieses Modells liefern uns eine neue Hypothese darüber, was den Kohlenstoffkreislauf antreibt, und wir können sie mit dem vergleichen, was wir jedes Jahr sehen", sagt Keeling.
(Der Text basiert auf einer englischen Pressemitteilung, die freundlicherweise von der UC San Diego, Robert Monroe, Autor: Alex Fox, zur Verfügung gestellt wurde)